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Philosophie am Kröpcke: Was ist Zeit? (Teil 2)

Veröffentlicht am 6. Januar 2014

Hannover, Kröpcke-Uhr

Philosophie – eine Wissenschaft im Elfenbeinturm? Weit gefehlt! Das Forschungsinstitut für Philosophie Hannover macht es sich zur Aufgabe, herauszufinden, was der Mann (und die Frau) von der Straße von den philosophischen Inhalten, die am Institut erforscht werden, weiß und hält. Pünktlich zu jeder Ausgabe des fiph-Journals führen wir dementsprechend eine streng wissenschaftlich kontrollierte Studie durch: Wir schreiten zum Kröpcke, der Agora Hannovers, mit Digitalkamera und Aufnahmegerät bewaffnet, und stellen allen Passanten, die nicht schnell genug flüchten, dieselbe Frage. Auf den Spuren des Sokrates, aber bar jeder Ironie. Ganz ohne ethisch-politische Hintergründe wollten wir den Hannoveranern/innen einmal in existenzieller Hinsicht auf den Zahn fühlen und wissen, was ihnen zum Thema Zeit einfällt. Auszüge aus den profunden Antworten lesen Sie hier …

Fiph: Was ist Zeit?
Christoph: Zeit geht immer voran, geht nur in eine Richtung. Und es ist, glaube ich, auch wissenschaftlich bewiesen, dass Zeit erst entstanden ist. Und dass es vielleicht auch eine Zeit gab, wo es keine Zeit gab. Vielleicht gibt es auch irgendwann wieder eine Zeit, wo es keine Zeit mehr gibt.
Fiph: Was ist mit Erinnerungen? Kann man damit die Zeit zurückdrehen?
Christoph: Man kann sich damit quasi in eine andere Zeit versetzen, ja. Aber zurückdrehen kann man die Zeit nicht. Man kann ja nur kucken, was man mit dem Moment macht.
Fiph: Kann man zu viel Zeit haben?
Christoph: Ja. Wenn man Langeweile hat und wenn einen das stört – dann hat man vielleicht zu viel Zeit. Aber man kann ja auch ‘was gegen die Langeweile tun. Ich glaub‘ nicht, dass man zu viel Zeit haben kann.

Fiph: Was ist Zeit?
Jens: Zeit ist mit das Kostbarste, was wir haben. Denn jeder Mensch, ob er arm oder reich ist, hat nur 24 Stunden zur Verfügung. Und man sollte versuchen, von diesen 24 Stunden auch eine gewisse Zeit für sich zu planen, wo man Zeit frei nutzen kann.
Fiph: Ist Zeit etwas Objektives oder etwas Subjektives?
Jens: (überlegt) Etwas Objektives.
Fiph: Nun kann man Zeit ja sehr unterschiedlich erleben. Macht das die Zeit nicht zu etwas Subjektivem?
Jens: Es ist ein Unterschied, wie man das sieht. Wir stellen jetzt fest, dass auch die Menschen, die von der Technik begeistert sind, mit iPad, mit Internet, mit E-Mail und allem, sich trotzdem eine mechanische Uhr kaufen, weil die einfach sagen: „Zeit, das ist ‘was ganz anderes.“ Eine mechanische Uhr ist ja vom Aufbau viel komplizierter als eine elektronische oder eine Quarzuhr, und die machen das für sich bewusst. Die sagen: „Anstatt der ganzen Technik, die mich überall verfolgt, hab‘ ich was Mechanisches am Arm.“ Die freuen sich einfach daran.
Fiph: Es geht dabei also um verschiedene Arten von Zeit. Und die wollen dann sozusagen die alte Zeit behalten?
Jens: Ja, so ist das. Obwohl ‘ne Quarzuhr genauer ist.

Fiph: Darf ich Ihnen eine philosophische Frage stellen?
Mürrischer Passant: Brauchen’se nich‘.

Fiph: Was ist Zeit?
Linda: Zeit ist ‘was, das ganz schnell wegläuft.
Fiph: Ist Zeit also etwas Wertvolles?
Linda: Natürlich. Das Einzige, was wir haben!
Fiph: Kann man zu viel Zeit haben?
Linda: Gehe ich nicht von aus. Ich auf jeden Fall nicht.
Fiph: Es gibt ja Leute, die nichts mit ihrer Zeit anzufangen wissen.
Linda: Dann müssen sie sich etwas suchen, möglicherweise einen anderen Studiengang oder keine Ahnung was. Ich weiß nicht, was ich mit meiner Zeit anfangen soll, weil ich eigentlich zu wenig habe. Ich bräuchte viel mehr.
Fiph: Was würden Sie dann machen?
Linda: Dann würde ich auf jeden Fall ausschlafen und viel mehr Zeit ins Lernen investieren. Ich müsste die Zeit dann nicht mehr aufteilen.

Fiph: Was ist Zeit?
Peter: Die Zeit ist einfach da. Man lebt in der Zeit. Ohne Zeit können wir nicht leben!
Fiph: Ist es sinnvoll, nach der Zeit zu fragen? Oder ist Zeit etwas so Selbstverständliches, dass es sich nicht lohnt, nachzuhaken?
Peter: Man muss erst mal Zeit definieren. Was ist Zeit?
Fiph: Das war ja meine Frage.
Peter: Ganz einfach: Leben. Sich nicht zu sehr anstrengen. Ganz gelassen Indianer sein und seinen Weg gehen. Alles richtig ankucken, alles begreifen – so etwas nenne ich Zeit.
Fiph: Gibt es so etwas wie eine objektive Zeit?
Peter: Ich hab‘ eine subjektive Zeit. Aber Zeit ist für alle vorhanden, sonst würden wir ja hier nicht sein.
Fiph: Vielen Dank!

(Die Namen der Befragten wurden von der Redaktion geändert.)

Interviews: Eike Bohlken und Dominik Hammer

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