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Pro und Contra: Gibt es moralische Rechte?

Veröffentlicht am 3. Juli 2017

Pro: Georg Lohmann

Warum es sinnvoll sein kann, von „moralischen Rechten“ zu sprechen

„Moralische Rechte“ scheinen Zwitterwesen zu sein. Je nach dem, was man unter Moral und unter Recht (law, objektives Recht, Rechtsinstitution) versteht, bekommt auch der Begriff eines Rechts (right, subjektives Recht) von A (paradigmatisch einer Person) einen anderen Sinn. Eine Reihe von klassischen Autoren (J. Bentham und H. Kelsen z.B.) halten den Begriff eines rein moralischen (subjektiven) Rechts für „Unsinn auf Stelzen“ oder für „leer“ und „redundant“, weil er nichts anderes beinhalte, dass jemand anders (B) moralische Pflichten gegenüber A habe. Und so wird er in der Tat auch von vielen gegenwärtigen Moralphilosophen verstanden, die glauben, dass, wenn A und B wechselseitige moralische Pflichten haben, man genauso gut sagen könnte, dass A ein Recht hat, und B entsprechend verpflichtet sei und umgekehrt. Solche Auffassungen stützen sich auch häufig auf die sogenannte Interessen-Theorie, nach der ein wohlbegründetes Interesse von A schon ausreicht, dass A auch ein Recht habe, sein Interesse zu verwirklichen. Hier wird aber der Begriff „Recht“ nur noch funktional oder rhetorisch (wie z.B. auch U. Wolf, wenn sie von Tierrechten sprechen will) verwendet, und dabei scheint es keinen Unterschied mehr zu machen, ob man von Pflichtenrelationen oder von Recht-Pflichten-Relationen spricht. So eine Auffassung von „moralischen Rechten“ erscheint mir in der Tat nicht bloß ausgedünnt leer, sondern auch philosophisch gesehen hochstaplerisch und verwirrend.

Ich will daher im Folgenden von „moralischen Rechten“ in einem anderen, anspruchsvolleren und komplexeren, dann aber auch bestimmteren Sinne sprechen. Ich gehe dabei von dem begriffshistorischen Befund aus, dass der Begriff eines (subjektiven) „Rechts“ nicht schon im römischen Recht, sondern erst relativ spät, vorbereitet bei den Bologneser Juristen (seit ca. 1100) und in der wissenschaftlichen Jurisprudenz des Privatrechts des 16. Jahrhunderts in Ansätzen entwickelt wird. Aber erst Wandlungen in den Konzeptionen von (objektivem) „Recht“ (Rechtsordnungen), beispielsweise die Trennung des Prozessrechts vom Privatrecht, die Differenzierung von Privatrecht und öffentlichem Recht und die Differenz zwischen Naturecht und positivem Recht, haben auf komplizierten Wegen, initiiert und legitimierend unterstützt durch das neuzeitliche rationale Naturrecht, die Grundbestimmungen eines „subjektiven Rechts“ im modernen Sinne entwickelt. Zu ihnen gehört, dass die Rechtsinhaberin sich als freie Person selbst achten und von anderen geachtet werden kann, und dass sie die ihr „geschuldeten“ (!) korrespondierenden Verpflichtungen anderer, die mit der Anerkennung und Durchsetzung ihres Rechts verbunden sind, nötigenfalls einklagen und mit Zwangsmitteln der Rechtsordnung durchsetzen kann. M.E. ist der Begriff „Recht“ (right) eines „moralischen Rechts“ diesen Wandlungen des sich herausgebildeten Begriff eines „subjektiven Rechts“ im objektiven Rechts entlehnt, reduziert aber den Begriff auf das, was allein moralisch zu verstehen ist. Im Felde der Moral aber sind für die einzelnen begrifflichen Komponenten nur noch schwächere Substitute möglich: Statt anerkannter Mitgliedschaft in einer privaten oder öffentlichen Rechtsordnung wird vorausgesetzt, dass alle Mitglieder der moralischen Gemeinschaft einen moral sense haben, statt institutionell zu klagen kann die Rechtsinhaberin an die moralische Gemeinschaft appellieren und Begründungen verlangen, statt institutioneller Zwangs- und Durchsetzungsmittel kann sie ggf. auf ein System moralischer, affektiver Sanktionen wie Empörung, Schuld, Scham und Reue etc. vertrauen. Das erschien den Kritikern rein moralischer „Rechte“ (von J. Bentham bis H. Arendt) als skandalös zu wirkungslos, weil ein funktionierender „moral sense“ nicht bei allen vorausgesetzt werden kann, und der Schutz bei Verletzungen oft ohne ausreichende Wirkung oder wie im Falle moralischer Trittbrettfahrer nur selektiv sei. So plausibel diese skeptische Position erscheint, sie übersieht doch, dass die moderne Moral wie auch die modernen Rechtsordnungen Begründungs- und Legitimitätsansprüche stellen, die auf der überlegenden und freien Selbstbestimmung ihrer jeweiligen Mitglieder aufbauen und von ihnen sich herleiten. Auch ein, erst durch politische Entscheidungen eines dafür legitimierten Rechtssetzungsgremiums geschaffenes, positives subjektives Recht erhebt begrifflich-notwendig einen Rechtfertigungsanspruch, der auch moralisch, also durch Gründe und nicht durch Entscheidungen (!), muss eingelöst werden können.

Hier kann nun eine positive Bewertung „moralischer Rechte“ ansetzen. Ich wähle zur Verdeutlichung dazu einen Kontext, in dem die Bewertung „moralischer Rechte“ besonders umstritten und wichtig ist: Die Menschenrechte sind seit 1948 im Rahmen des internationalen Rechts deklariert und erst seit den Internationalen „zivil“ und „sozial“ Pakten (von 1966) und deren ausreichender Ratifizierung (1974) völkerrechtlich verbindlich. Zudem sind sie in vielen nationalen Verfassungen als verfassungsrechtliche Grundrechte Bestandteile des positiven Rechts. Sie sind daher, begrifflich gesehen, in nationalen und internationalen Rechtsordnungen rechtlich positivierte „subjektive Rechte“[1], die zugleich auch moralisch begründbar sind oder sein können müssen – auch wenn die Moralphilosophen wohl ewig darüber streiten werden, was denn nun „die“ (einzig?) richtige Begründung sei. Ohne Zweifel aber sind die Menschenrechte (auch) „moralische Rechte“ in dem hier erläuterten Sinn, ihrer vollen begrifflichen Bedeutung nach aber sind sie erst angemessen verwirklicht oder institutionalisiert, wenn sie entsprechend über rechtlich institutionalisierte Klage- und Durchsetzungsmechanismen verfügen.

Betrachtet man noch einmal die historische Entstehungs- und Entwicklungsgeschichte der Menschenrechte seit 1940[2], so wird deutlich, dass aus ganz widerstreitenden Gründen die Menschenrechte zunächst als rein „moralische Rechte“ verstanden wurden: Die Siegermächte und die Gründungsvertragsstaaten der Vereinten Nationen wollten zur Sicherung ihrer Souveränität rechtlich verbindliche Menschenrechte verhindern, und diese auf den Status wirkungsloser oder -schwacher „moralischer Rechte“ beschränken, die engagierten NGOs und Menschenrechtsaktivisten, die für eine internationale Menschenrechtserklärung kämpften, glaubten hingegen gerade mit einem moralischen Verständnis der Menschenrechte einen politisch wirksamen Druck aufbauen zu können, um den Menschenrechten schließlich auch einen rechtlich verbindlichen Status zu erkämpfen. In der Perspektive dieses Kampfes erschließt sich der ambivalente Sinn, die Menschenrechte als „moralische Rechte“ zu verstehen.

Die Menschenrechte existieren nicht schon allein dann, wenn die mit ihnen verbunden normativen Aussagen moralisch begründet sind, sondern sie müssen auch in einem dafür legitimierten politisch-öffentlichen Gesetzgebungsprozess gesetzt, juristisch gefasst und objektiv rechtlich „ausgestattet“ werden. Heute entwickeln sich hier ganz unterschiedliche Formen privater, nationaler, regionaler und globaler Rechtssetzungen, die eine zwischen soft law, Verfassungsrecht und sich wandelndem internationalen Recht changierende Pluralisierung globaler Rechtssysteme zur Folge haben. In diesen Prozessen beharren moralische Begründungen der Menschenrechte auf ihrem universellen, egalitären, individuellen und kategorischen Anspruch[3], und sie fordern ihre angemessene politische und rechtliche Einlösung. Die Berufungen auf ein Verständnis der Menschenrechte als moralische Rechte ermöglichen und ermächtigen daher engagierte Menschen in autoritären, nicht- oder scheindemokratischen Staaten, aber ebenso in Staaten, die schon über verfasste Grundrechte verfügen, für eine angemessene oder verbesserte Institutionalisierung der Menschenrechte zu kämpfen, sie erschließen aber auch den Kampf um neue Menschenrechte (wie z.B. das Menschenrecht auf Wasser oder „informationelle Selbstbestimmung“) und orientieren in den Versuchen, transnationale Verfassungen („Konstitutionalisierung des Völkerrechts“) zu entwickeln oder das schwierige Problem menschenrechtlicher Verpflichtungen von transnationalen Unternehmen zu lösen. Das sind Beispiele für den positiven, politisch so ungeheuer wichtigen Sinn, wenn Menschenrechte als moralische Rechte konzipiert werden. Werden sie hingegen darauf reduziert, so drohen eine Moralisierung der Menschenrechte und ein Verlust der Leistungen des Rechts.

Georg Lohmann ist Professor (a.D.) für Praktische Philosophie der Otto-von-Guericke Universität Magdeburg. Er arbeitet zu Fragen der angewandten Ethik und politischen Philosophie, insbesondere Menschenrechte und Menschenwürde.

[1] G. Lohmann, Menschenrechte zwischen Verfassung und Völkerrecht, in: M. Breuer, u.a., (Hrsg.), Der Staat im Recht, Berlin 2013, S.1175-1188. A. Peters, Jenseits der Menschenrechte: Die Rechtsstellung des Individuums im Völkerrecht, Tübingen 2014.
[2] Siehe dazu G. Lohmann, „Menschenrechte“ angesichts ihrer Geschichtlichkeit. Über: Jan Eckel. Die Ambivalenz des Guten, in: DZPhil 2016, 64 (3): 465-479.
[3] G. Lohmann, Was muss man wie bei den „Menschenrechten“ begründen? in: D. Demko, G. Brudermüller, K. Seelmann (Hrsg.). Menschenrechte. Begründung – Bedeutung – Durchsetzung, Würzburg, 2015, S. 23-43.

(c) Georg Lohmann

Contra: Georg Mohr

Moralische Rechte gibt es nicht

Es scheint heute weitgehende Übereinstimmung darin zu bestehen, dass Menschen – und möglicherweise die höheren Tiere – moralische Rechte haben, sowohl spezielle Rechte gegenüber Individuen, mit denen sie in einer besonderen Beziehung stehen, als auch allgemeine Rechte gegenüber jeder Person und gegenüber dem Staat, einfach aufgrund ihrer menschlichen Natur. Mit dieser Feststellung beginnt der Moralphilosoph Richard B. Brandt 1984 einen seiner vielbeachteten Aufsätze.

Unter moralischen Rechten werden in der Regel normativ qualifizierte Ansprüche von Personen (Rechtssubjekten) gegenüber handlungsfähigen Adressaten verstanden. Moralische Rechte sollen folgende Merkmale aufweisen: Sie seien generelle und fundamentale Rechte, gälten leistungsunabhängig, unabhängig von positiven Gesetzen und unabhängig von sozialen Konventionen und hätten diesen gegenüber einen Geltungsvorrang.

Dass die Rede von moralischen Rechten zum ‚Mainstream’ geworden ist, ist umso erstaunlicher, als sowohl die konsequenzialistischen als auch die deontologischen Moral- und Rechtstheorien in ihren klassischen Varianten ‚moralische Rechte’ ablehnen oder als nachrangig qualifizieren. Bentham nennt sie „nonsense on stills“: Die im Rechtsbegriff implizierte Positivität und Einklagbarkeit werde durch das Attribut ‚moralisch’ explizit verneint; daraus resultiere eine inkohärente Begriffskonstruktion. Für Kant sind Pflichten normativ primär; aus ihnen resultieren Rechte, wenn das ‚Gegenüber’ der Pflicht ein Rechtssubjekt ist, und das heißt: wenn es seinerseits ein Subjekt von Pflichten und insbesondere von Pflichten gegen sich selbst ist.

Schon vor diesem Hintergrund scheint die ebenso weit verbreitete Prämisse der Korrelativität von Pflichten und Rechten fraglich, zumindest insoweit, als darunter die These verstanden wird, dass Rechte immer strikt korrelativ zu Pflichten seien. Ausformuliert besagt diese These: Immer dann, wenn jemand ein Recht hat, hat jemand anders eine korrespondierende Pflicht; und immer dann, wenn jemand eine Pflicht hat, hat jemand anders ein korrespondierendes Recht. Das heißt genauerhin: Immer wenn gilt: X hat gegenüber Y ein Recht auf Z, dann gilt: Y hat gegenüber X die Pflicht zu Z; und immer wenn gilt: Y hat gegenüber X die Pflicht zu Z, dann gilt: X hat gegenüber Y ein Recht auf Z. Es trifft aber nicht zu, dass jede (objektive) Pflicht ein (subjektives) Recht impliziert; es besteht keine generelle strikte Korrelativität zwischen Pflichten und Rechten.

Ein weiterer wichtiger Einwand gegen den Begriff des moralischen Rechts lautet: Durch die (vermeintliche) Feststellung, jemand habe ein moralisches Recht, bleibt der zuständige Adressat, das Subjekt der korrespondierenden Pflicht, unbestimmt. Die Rede von moralischen Rechten ist normativ unterbestimmt.

Gegen die Annahme moralischer Rechte spricht auch, dass sie überflüssig ist. Denn zum einen gibt es ein Recht nur da, wo es eine korrespondierende Pflicht gibt; die Identifizierung von Pflichten ist das normativ Ausschlaggebende und die Voraussetzung für die Zuschreibung von Rechten. Zum anderen korrespondiert nicht jeder Pflicht ein Recht; die Menge der Pflichten ist umfangreicher als die der Rechte. Die Benennung von Rechen ist also nicht hinreichend zur Bestimmung des normativ Geforderten.

Unter einem moralischen Recht wird häufig ein ‚starker moralischer Anspruch’ verstanden. Diese ‚Stärke’ des moralischen Anspruchs soll mit dem Rechtsbegriff angezeigt werden. Die Behauptung, X habe einen ‚starken’ moralischen Anspruch auf Z, zielt demnach wohl auf die Forderung ab, X solle ein legales Recht auf Z haben: Da der moralische Anspruch so stark ist, solle er durch ein legales Recht gesichert werden. Es sei moralisch geboten, dass X ein legales (juridisches) Recht auf Z hat.

Es fällt auf, dass in dieser ‚Übersetzung’ des Begriffs von einem moralischen Recht (die auch eine Erläuterung seiner Bedeutung ist) bereits ein Hinweis darauf enthalten ist, dass (a) das ‚Moralische’ des Anspruchs durch ein ‚Sollen’ zu artikulieren ist und (b) der ‚Stärke’ des Anspruchs nur durch juridische Rechtssicherheit Genüge getan werden kann. Wir können demnach „X hat ein moralisches Recht auf Z“ übersetzen durch „X soll ein juridisches Recht auf Z haben“, was wiederum so viel heißen muss wie „Es gibt eine Pflicht, X ein juridisches Recht auf Z zuzusprechen“. Es liegt die Rückfrage auf der Hand, worin denn diese legislative Pflicht begründet sei. Eben in dem moralischen Recht von X auf Z – wird ein/e Vertreter/in der Theorie moralischer Rechte antworten.

Das hilft aber nicht weiter, denn der Bezug auf die Pflicht soll ja eine Übersetzung der Rede vom moralischen Recht sein. Die Theorie wird zirkulär. Es entsteht außerdem der Verdacht, dass die ‚Kontroverse’ in einem Streit um Worte versandet. Aber dieses Fazit würde die Sachlage verharmlosen. Es handelt sich vielmehr um ein begriffliches Problem: Der Begriff von einem moralischen Recht ist inkohärent. Er kaschiert darüber hinaus ein Begründungsdefizit. Er suggeriert eine essentialistisch-anthropologische Begründung: Xe haben (angeblich) bestimmte subjektive Rechte, weil sie deskriptiv über bestimmte Eigenschaften verfügen. Diese Rechte werden ‚moralische Rechte’ genannt, weil ihre Geltung unabhängig von der Positivität behauptet werden soll, die der Rechtsbegriff normalerweise impliziert, und weil der mit ihnen artikulierte Anspruch ein besonders starker, intensiver moralischer Anspruch sein soll. Die ‚Begründung’ solcher Rechte in bestimmten Eigenschaften betreffender Subjekte wird aber vermutlich um einen naturalistischen Fehlschluss nicht herumkommen.

Wer von ‚moralischen Rechten’ spricht, will damit eine besonders intensive Geltungsqualität der betreffenden durch sie begründeten (juridischen) Rechte zum Ausdruck bringen. Sie sollen allgemeiner und bedingungsloser als andere Rechte gelten; ihnen soll ein höherstufiges und prioritäres Geltungsprofil eignen. Als Markierer dieser Geltungsmerkmale erfüllt der Begriff des moralischen Rechts die Funktion eines rhetorischen Geschmacksverstärkers. Die affirmative Theorie moralischer Rechte ist eine ‚Glutamat-Theorie’. Sie beruht, so meine These, auf unklaren Begriffen von Moral und von Recht, die sie in unzulässiger Weise miteinander verbindet.

Zu bestreiten, dass es moralische Rechte gibt, heißt nicht, die Menge der Rechte, die Menschen haben, zu verringern. Es bedeutet auch nicht, die Verbindlichkeit und Dignität von Rechtsansprüchen in Misskredit zu ziehen, aufzuweichen oder zu unterlaufen, sondern: einen unklaren und schon dadurch schädlichen Diskurs möglichst kategorial zu differenzieren und von Ambivalenzen zu reinigen.

Ein Hauptbedenken gegen den Verzicht auf das Konstrukt moralischer Rechte lautet: Wenn es keine moralischen Rechte gäbe, wären Menschenrechte oder auch Kinderrechte doch ‚nur verliehene’ statt ‚natürliche’ Rechte. Die These, es gebe keine moralischen Rechte, redet aber keinem kruden Rechtspositivismus das Wort. Die Kritik am Begriff des moralischen Rechts besagt nicht, es gebe keine moralischen Maßstäbe, Standards, Prinzipien, die für die Legitimation juridischen Rechts relevant sind. Sie besagt auch nicht, es gebe keine prioritären und unbedingt geltenden Rechte. Statt von moralischen Rechten sollte man aber davon sprechen, dass die Menschheit die moralische Pflicht hat, ein System von Rechten zu etablieren, welches sicherstellt, dass die Adressaten von Pflichten rechtlich zur Erfüllung ihrer Pflichten (gegenüber Menschen, gegenüber Kindern) gezwungen werden können. Dazu sind moralische Rechte nicht imstande; nur juridischen Rechten korrelieren Rechtspflichten, und nur diese sichern die Durchsetzung von berechtigten Ansprüchen. Wir brauchen keine moralischen Rechte. Die Glutamat-Theorie moralischer Rechte ist kein überzeugender Anwalt für die Annahme moralischer Rechte.

Fazit: Wenn wir (a) von moralischen Rechten keinen klaren Begriff haben, da es sich um ein inkohärentes Konstrukt handelt, und (b) für sie keine Anwendungsbereiche benennen können, für die man sie aus pragmatischen Gründen und mangels besserer Alternativen einsetzen müsste, dann können wir auch gleich sagen: Es gibt sie nicht.

Georg Mohr ist Professor für Philosophie mit dem Schwerpunkt Praktische Philosophie an der Universität Bremen.

(c) Georg Mohr

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