Blogging in der Philosophie

Philosophie InDebate – das heißt, Philosophie im Gespräch, öffentlich, kontrovers, eingebunden. Ein Ort im Netz, der nun schon zehn Jahre existiert. Dessen Geburtstag haben wir zum Anlass genommen, neu darüber nachzudenken, was Blogging in der Philosophie bedeuten kann.

Philosophieren im Kontext

Form und Inhalt gehören in der Philosophie zusammen. Wer etwas wichtiges sagen will, denkt darüber nach, wie es am besten auszudrücken wäre, will Fallstricke vermeiden, wählt Worte mit Bedacht, sucht die richtige Zeit und den richtigen Ort für das, was ihm*ihr auf dem Herzen liegt oder den Kopf zum Platzen zu bringen droht. Der Inhalt des Gesagten ist auf seine Form verwiesen. Das was gesagt wird, hängt davon ab, wie es gesagt wird. Wo und wie etwas geschrieben ist, nimmt Einfluss darauf, wie wir es rezipieren: eingemeißelt in jahrhundertealten Stein, per Hand im Brief verfasst, mittels Autokorrekt in der Kurznachricht oder in langen, komplizierten Sätzen in der Neuauflage ‚eines echten Klassikers der Philosophie‘ niedergeschrieben. Die Form des Gesagten beeinflusst, wie wir dessen Inhalt wahrnehmen, wie wir ihn verstehen. Und wenn das Gemeinte im falschen Kontext steht, verändert sich schnell dessen Wirkung, der Inhalt kommt ‚falsch rüber‘, wie es so schön heißt. Umgekehrt verweist die Form immer auch auf den Inhalt zurück. Das Buch will gelesen, die Kurznachricht geöffnet, die Steinplatte entschlüsselt werden.

Philosophieren im Jetzt

Auch einen Blog gilt es zu entschlüsseln, aufzuspüren, wieder zu entdecken. Früher waren Blogs eher Tagebücher im Netz, Orte des gemeinsamen Schreibens, der aktuellen Kommentierung und des informierten Einwurfs. Die Kategorie InDebate steht bis heute in dieser Tradition: will informiert kommentieren, wissenschaftlich einordnen und reflektierend aufgreifen, was uns aktuell bewegt. Dafür bietet die Plattform des Blogs die Möglichkeit, sich tagesaktuell zu verhalten, schnell reagieren zu können und im Gespräch zu sein. Etwas, dass ‚der Philosophie‘ als wissenschaftliche Disziplin gerne abgesprochen wird. Sie habe zu viel Distanz zur Lebenswelt, verschanze sich im Elfenbeinturm und scheue die Positionierung. Zum Teil berechtigte Vorurteile, gegen die wir versuchen anzugehen. An einem Ort, der dies zum Teil bestraft – dem Internet. Wo wir einen Raum für ehrliche Fragen, fundierte Antwortversuche und die Möglichkeit zum gemeinsamen weiter denken zu bewahren.

Philosophieren im Netz

Sei es im Gespräch miteinander, durch die Diskussion in der Kommentarspalte oder den Rückgriff auf bereits verfasste Artikel – das weiter Denken auf Philosophie InDebate findet im digitalen und analogen Raum statt. Viele Leser*innen und Autor*innen begleiten diesen Blog schon eine Weile, andere kommen neu hinzu oder bleiben nur für einen Artikel. Durch den digitalen Raum kommen dabei aber Menschen zusammen, die sich anderswo nicht treffen könnten. Die Worte Anderer lesen, neue Perspektiven einnehmen oder alt Bekanntes hinterfragen. Wichtige Momente des Philosophierens, die bei uns nicht hinter der Bezahlschranke verschwinden. Weil wir daran glauben, dass Plätze des gemeinsamen Denkens off- und online nicht von finanziellen Mitteln abhängen, sondern allen zugänglich sein sollten.

Philosophieren im Ernst

Und deshalb präsentiert unsere Kategorie InDepth auch Beiträge, die andernfalls in Fachzeitschriften, Journalen oder in Expert*innenkreisen veröffentlicht und diskutiert werden würden hier auf dem Blog. Weil hier alle mitlesen und mitreden können, vermeintliche ‚Nischenthemen‘ im richtigen Kontext durchaus viele Menschen interessieren und komplizierte philosophische Probleme mit etwas Zeit und einer großen Menge an zur Verfügung stehenden Zeichen doch bewältigbar werden. Weil es kein jahrelanges Studium braucht, um interessiert und aufgeschlossen zu sein. Und weil es den Autor*innen eine Hilfe sein kann, von einer Redaktion in der Entwicklung ihrer Gedanken begleitet zu werden.

Philosophieren im Miteinander

Wie die Philosophie in ihrer Geschichte ist so auch dieser Blog ein kooperatives Format. Vom Schreiben eines Beitrags über dessen Lektorierung bis zur Veröffentlichung geht ein Text durch viele Köpfe und noch mehr Hände. Und auch deshalb ist dieser Blog nach all den Jahren nicht nur im digitalen Raum, sondern im Gespräch über die Texte, in der Redaktionsrunde und dem Austausch mit den Autor*innen lebendig. Philosophie InDebate ist voller Wissensdurst, weil es die an ihm beteiligten Personen sind. Und weil im gemeinsamen Arbeiten mehr Kraft steckt als im ewigen Alleingang.

Philosophieren im Morgen

Auch Nachwuchswissenschaftler*innen finden deshalb hier eine Plattform, erste Texte zu veröffentlichen. Weil jeder Gedanke und jede wissenschaftliche Entwicklung einen Anfang brauchen. Und weil dieser Raum – für junge oder bereits erfahrene Autor*innen – einen geschützten Rahmen braucht, behalten unsere Autor*innen dabei stets die Rechte am Geschriebenen. Ein Umstand, der im Internet, einem Ort, an dem nicht immer sicher scheint, ob ein Text von einem Menschen verfasst oder automatisch generiert wurde, nicht unerheblich ist. In Zeiten von ChatGPT und Co. bekommen die Verfasser*innen unserer Texte daher einen Namen und Gesicht. Auch, um zu zeigen, dass ‚Philosophie‘ nicht nur von Steinbüsten betrieben wird, sondern von ‚ganz normalen Menschen‘.

Philosophieren im neuen Gewand

Zugänglich, offen und aktuell zu sein sind nur praktische Gründe, warum Philosophie InDebate nach zehn Jahren nicht nur immer noch besteht, sondern nun auch im neuen Gewand daherkommt. Eingangs habe ich auf das gegenseitige sich-bedingen von Form und Inhalt in der Philosophie verwiesen. Und so ist das neue Aussehen für den Blog nicht einfach eine ästhetische Entscheidung, um attraktiv im wachsenden Online-Angebot wissenschaftlicher Fachportale zu sein, sondern auch eine inhaltliche. Weil der Blog sich geändert hat im Laufe der Zeit: andere Menschen schreiben für ihn, betreuen ihn, lesen ihn. Viel mehr Texte sind erschienen als es sich anfangs wohl noch der kühnste Blogger hätte träumen lassen, einiges hat sich gesammelt und musste einmal gründlich sortiert werden.

Philosophieren im Detail

Und so haben wir das Archiv aufgeräumt und unsere Suchfunktion optimiert. Der Blog wurde übersichtlicher aufgebaut, alle Beiträge mit Schlagworten versehen, die sie miteinander in Beziehung setzen. Weil der Schatz an Beiträgen auf dem Blog auch gefunden, genutzt und vernetzt sein will. So finden sich jetzt auf dem Blog am Ende der Beiträge spezifische Leseempfehlung zu ähnlichen Themen. Und das ganz, ohne das wir Ihre Daten abgreifen würden, nur aufgrund der Struktur der Blog-Themen. Mit dem Verweis auf das weiter denken. Journal für Philosophie und eine aktualisierte Blogroll finden sich Verweise auf andere spannende Projekte und Orte des Philosophierens im Netz. Sie können die Artikel leichter teilen, drucken und mehr über die Autor*innen erfahren. Außerdem erleichtern Farbgebung und Lesefortschrittsanzeigen das Lesen der Texte und die Kurzvorstellungen der Beiträge laden dazu ein, weiter zu denken.

Philosophieren im Blog

Bei all den neuen Möglichkeiten ist es letztlich dieses Netzwerk – aus Artikeln, Autor*innen, weiteren Projekten und dem wachsenden Archiv – was das Blogging in der Philosophie für uns ausmacht. Das Miteinander von Menschen, Worten, Themen, Verweisen, offenen Fragen, alten Problemen, neuen Perspektiven und weiteren Möglichkeiten, die auf Philosophie InDebate einen Platz finden. Seit zehn Jahren und immer weiter – weiter denken mit Ihnen.

© Anne Specht