InDebate: Ein Jahr nach rechtsextremem Terror in Hanau: Über die Reproduktion von Rassismen in der gesellschaftlichen Mitte

Elisa Lara Yildirim

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In Erinnerung an Gökhan Gültekin, Sedat Gürbüz, Said Nesar Hashemi, Mercedes Kierpacz, Hamza Kurtović, Vili Viorel Păun, Fatih Saraçoğlu, Ferhat Unvar, Kaloyan Velkov
#SayTheirNames

Beim rechtsextremen Terroranschlag in der hessischen Stadt Hanau ermordete der 42-jährige Hanauer Tobias Rathjen am 19. Februar 2020 insgesamt zehn Personen aus rassistischen Motiven. In und vor zwei Shisha-Bars erschoss er erst neun Menschen mit Einwanderungsgeschichte, später auch seine Mutter in der elterlichen Wohnung. Zuletzt nahm er sich selbst das Leben. Vom Täter verfasste Dokumente zeigen eine klar völkisch-nationalistische Ideologie und extreme Vernichtungsfantasien von ganzen Bevölkerungsteilen auf, die u.a. untrennbar mit einer schizophrenen und narzisstischen Störung des Täters verbunden sind. Die These vom sogenannten Einzeltäter suggeriert eine isolierte Radikalisierung am rechten Rand der Gesellschaft, abseits des Konsenses. Die Existenz von rechtsextremem Rassismus ist nicht zu negieren. Inwiefern darüber hinaus jedoch von strukturellem Rassismus durch Abgrenzung bestimmter Gruppen von der Mehrheitsgesellschaft die Rede sein kann, welchen Einfluss kollektiv zugeschriebene Identität und die Reproduktion von Rassismen auf den Diskurs um Antirassismus und Inklusion ausüben, soll hier Thema sein.

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InDebate: Sozial und ökologisch – geht das?

Felix Ekardt

Wenn wir die globale Erwärmung sicher auf die international verbindlich vereinbarten 1,5 bis 1,8 Grad begrenzen wollen, müssen wir innerhalb der kommenden zwanzig Jahre alle Emissionen weltweit auf null senken – und zwar in allen Sektoren. Das bedeutet null fossile Brennstoffe und eine stark reduzierte Tierhaltung. Davon sind derzeit praktisch alle Länder weit entfernt. Um uns zu entwöhnen, wäre es am wirksamsten, die fossilen Energieträger Öl, Gas und Kohle und die Nutztierhaltung deutlich teurer zu machen, im Falle Europas am besten auf EU-Ebene. Doch die Debatte darüber wird hitzig geführt: Ist drastischer Klimaschutz nicht unzumutbar für weniger Wohlhabende?

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InDebate: Jenseits der Selbstentfremdung

Thomas Polednitschek

in memoriam Johann Baptist Metz (1928 – 2019)

Was Philosophische Praxis von der Psychotherapie allemal unterscheidet, ist, dass erstere auch „die Not der Notlosigkeit“[1] in den Blick bekommt, die für meine Wahrnehmung als Philosophischer Praktiker ein unsichtbarer Grundzug unserer späten Moderne ist. Von dieser Not soll hier die Rede sein.

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InDebate: Covid-19: Geld oder Leben – eine Abwägungsfrage?

Zum scheinbaren Konflikt zwischen Infektionsschutz und Wirtschaftswachstum

Torsten Windels

Abwägungen und Alternativkosten

Die Corona-Krise ist eine schwere Belastungsprobe für alle Menschen und auch Institutionen. Zur Kontrolle des Infektionsrisikos griff und greift weltweit ein überwiegend restriktives, staatliches Kontaktreduzierungsprogramm. Es galt und gilt Gesundheits- und Lebensrisiken zu vermindern. Hierzu wurden Versammlungs-, Veranstaltungs- und Geschäftsverbote sowie Abstands-, Hygiene- und Quarantänegebote verhängt.

Recht früh warnten einige Ökonomen vor hohen volkswirtschaftlichen Kosten durch die staatlichen Infektionsschutzmaßnahmen. Dabei ging es nicht um die Kosten der Pandemie selbst, durch Krankheit und Tod sowie deren medizinische Begleitung, sondern um die entgangenen Einkommen und Gewinne durch die Schutzmaßnahmen. Denn auch diese beinhalteten erhebliche soziale Risiken (Kurzarbeit, Arbeitslosigkeit, Existenz- und Zukunftssorgen, …). Problematisch hierbei war, dass die staatlichen Maßnahmen und nicht die Pandemie als ursächlich für die Rezession dargestellt wurden. Es entstand der Eindruck eines Gegeneinanders von Infektionsschutz oder wirtschaftlicher Entwicklung. [1]

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