
Mit Bezug auf die Mathematik sagte Bertrand Russel einst: „Seit man begonnen hat, die einfachsten Behauptungen zu beweisen, erwiesen sich viele von ihnen als falsch.“[1] Gleichwohl genießt die Mathematik seit jeher ein hohes Ansehen in unserer Gesellschaft, da sie mit ihrer Objektivität und ihrer (scheinbar) widerspruchsfreien Struktur ein Idealbild von Wissenschaft verkörpert. Nicht ohne Grund basieren viele weitere Wissenschaftsgebiete auf den Grundlagen der Mathematik, denn ob etwa die Turbinen eines Flugzeugs die zum Abheben nötige Schubkraft erzeugen, lässt sich einfach berechnen. Klare Regeln – in Beweisführung, wie auch in Berechnung – führen zum Ergebnis. Kein Wunder also, dass wir uns auf die Mathematik verlassen, sie hat uns in ihrer Anwendbarkeit niemals enttäuscht.
Bei genauerer Betrachtung müssen wir uns allerdings von diesem Ideal verabschieden und Bertrand Russell Gehör schenken. Denn so klar die Mathematik in ihrer Anwendung auch zu sein scheint, so uneinig sind sich Mathematiker*innen und Philosoph*innen seit Jahrtausenden über ihre Art und ihre Beschaffenheit.