Generic selectors
Exact matches only
Search in title
Search in content
Post Type Selectors
Filter by Categories
InDebate
InDepth

Darf sich Kunst alles erlauben?

Veröffentlicht am 30. Dezember 2013

Dominik Hammer/Jürgen Manemann

 

Kunstfreiheit ist ein Grundrecht. Daher darf sich die Kunst, rechtlich betrachtet, (fast) alles erlauben.  Von der Kunstfreiheit geschützt wird jede Äußerung, die sich unter den sogenannten „offenen Kunstbegriff“ fassen lässt. Dieser sieht das Merkmal der Kunst darin, dass Kunst das ist, was der Künstler als Kunst bezeichnet. Kunst muss aber auch einer fortgesetzten Interpretation zugänglich sein und darf sich nicht auf schnell verständliche, eindeutige Aussagen beschränken. Nicht nur die Freiheit der Kunst wird also weit gefasst, sondern auch der Kunstbegriff. Und das ist gut so. Kunst lebt von ihrer radikalen, für Bürgerinnen und Bürger oft schwer erträglichen Freiheit. Sie muss über die Maße provokant sein dürfen. Sie ist niemandem verpflichtet, außer sich selbst. Nur so vermag Kunst, ihr Potenzial zu entfalten und etwas zu zeigen, was keiner sieht oder sehen will. Kunst hilft uns, anders zu sehen. Jeder Gegenstand kann Kunst sein.

Aber Kunst muss es auch ertragen, befragt und angefragt zu werden. Bekanntlich ist nicht alles Kunst, was als Kunst daherkommt.  Wenn Gertrude Stein schreibt „Eine Rose ist eine Rose ist eine Rose …“, dann gilt, auf die Kunst bezogen: „Kunst ist Kunst ist Kunst ..“ Aber auch: „Müll ist Müll ist Müll ..“ Ob ein Gegenstand Kunst ist, hängt nicht von der materiellen Beschaffenheit ab, sondern von seiner Fähigkeit, unsere Augen zu öffnen, anderes zu sehen oder Bekanntes auf neue Art zu sehen. Karikaturen wären dann daraufhin zu befragen, ob sie etwas Neues sehen helfen oder bloße Vorurteile und Sehgewohnheiten zementieren. Letzteres wäre keine Kunst – aber, so nicht der Tatbestand der Volksverhetzung vorliegt, erlaubt. Christinnen und Christen können auf Karikaturen ihres Glaubens, die diesen pervertieren, eigentlich sehr gelassen reagieren, kann doch Gott durch derlei Beleidigungen nicht in seiner Ehre gekränkt werden. Gott ist kein weltlicher Herrscher, Majestätsbeleidigung trifft ihn nicht. Wir sollten Gott nicht so klein machen. Das wäre eine Beleidigung Gottes. Wenn jedoch Kunst die Würde anderer Menschen verletzt, indem sie Vorurteile bedient und damit Hass schürt, dann müssen Christinnen und Christen ihre Stimme erheben und deutlich machen, dass das keine Kunst ist, sondern: Müll.

 

Der vorliegende Text ist zuerst unter dem Titel „Müll ist Müll“ in der Braunschweiger Zeitung erschienen. Online ist der Text hier zu finden.

Print Friendly, PDF & Email

0 Kommentare

Auch interessant:

Matthäuspassion. Über den rätselhaften Versuch Hans Blumenbergs, Gott für die Moderne zu retten.

Verzeihen Sie mir, wenn ich mit einer persönlichen Anekdote beginne. Vor einigen Jahren habe ich zufällig in Bologna ein Buch in...

The question of free will in Islamic philosophy

Rapid developments are taking place in the field of neuroscience. As a result, ethical questions are increasingly being taken up...

Kunst, KI, Kant und NFT: Wie geht das zusammen?

NFT. An diesen drei Buchstaben kommt man zurzeit nicht vorbei. NFTs – Non-fungible Tokens, das sind nicht-austauschbare Token,...

Longread: Der befreite Prometheus von Chile. Akzelerationismus und Cybersyn

Michael Meyer „Unsere Zuschauer müssen nicht nur hören, wie man den gefesselten Prometheus befreit, sondern sich auch in der...

Wider die Ironie. Mit Christoph Schlingensief

Kein Ausspruch Schlingensiefs wäre anlässlich seines heutigen Geburtstages treffender als dieser: „Ich bin nicht der geworden,...

„Februar. No pasarán.“ Paul Celan als politischer Dichter

Vorbemerkung: Es handelt sich im Folgenden um das nur geringfügig veränderte Skript eines Vortrags, den ich am 27. Januar 2021...