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Philosophie am Kröpcke: Ist der Mensch ein freies Wesen? (Teil 1)

Veröffentlicht am 25. November 2013

Hannover, Kröpcke-Uhr

Philosophie – eine Wissenschaft im Elfenbeinturm? Weit gefehlt! Das Forschungsinstitut für Philosophie Hannover macht es sich zur Aufgabe, herauszufinden, was der Mann (und die Frau) von der Straße von den philosophischen Inhalten, die am Institut erforscht werden, weiß und hält. Pünktlich zu jeder Ausgabe des fiph-Journals führen wir dementsprechend eine streng wissenschaftlich kontrollierte Studie durch: Wir schreiten zum Kröpcke, der Agora Hannovers, mit Digitalkamera und Aufnahmegerät bewaffnet, und stellen allen Passanten, die nicht schnell genug flüchten, dieselbe Frage. Auf den Spuren des Sokrates, aber bar jeder Ironie.

Eingeschüchtert vom medialen Echo über die „Illusion der Freiheit“ wollten wir diesmal von den Hannoveranern und ihren Gästen erfahren, ob der Mensch ein freies Wesen ist. Auszüge aus den profunden Antworten lesen Sie hier …

Fiph: Ist der Mensch ein freies Wesen?
Philipp: Ja, ich würd’ sagen, generell schon – durch die Gedanken. Aber in seiner Entscheidungsfreiheit ist er natürlich eingeschränkt durch die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen.
Fiph: Das heißt, Sie würden sagen, wir sind grundsätzlich frei, aber sozial determiniert – oder nur eingeschränkt?
Philipp: Schon fast determiniert. Kein Mensch kann sich ja frei ausleben, aber in bestimmten Bereichen ist das auch gut. Wenn sich sexuelle Straftäter frei ausleben würden, so wie sie sich das denken …
Fiph: Was bleibt denn von der Freiheit übrig, wenn wir sozial so stark eingeschränkt sind? Gilt die Einschränkung auch für unsere Gedanken?
Philipp: In meinen Augen nicht. Ich finde, jeder hat das Recht, zu denken, was er möchte. Man muss bestimmte gesellschaftliche Regeln einhalten, aber seine Gedanken kann man frei so formen, wie man möchte.

Fiph: Ist der Mensch ein freies Wesen?
Stefan und Annika: Ja.
Fiph: Woran machen Sie das fest?
Stefan: Weil jeder Mensch ein freies Wesen ist … hierzulande (lacht).
Fiph: In welchen Punkten sind wir frei, im Denken? Im Handeln?
Annika: Beides
Stefan: Ich hab’ jetzt gerade Mittagspause. Ihre Fragen sind schon tiefgründig …
Fiph: Es gibt die Auffassung, wir seien weitgehend durch unsere materiellen und sozialen Verhältnisse bestimmt. Kann man sich darüber hinwegsetzen?
Annika: Kann man. Ist aber schwer.
Fiph: Und wie geht das?
Annika: Weil man immer noch die eigenen Gedanken steuern kann. Es kommt darauf an, ob man sich in seinem Habitus der Gesellschaft angleicht, oder nicht. Es kommt aber auch aufs Umfeld an.
Fiph: Setzt uns die Erziehung nicht Bedingungen, an denen wir nicht vorbeikommen?
Annika: Ja, aber keine genetisch bedingten. Deswegen könnte man sich noch ändern, wenn man wollte.

Fiph: Ist der Mensch ein freies Wesen?
Pia: Ich bin sehr gläubig. Aus christlicher Sicht würde ich sagen: Ja.
Fiph: Hat Gott den Menschen frei geschaffen?
Pia: Eigentlich schon. Aber nicht so, dass man tun und lassen kann, was man will. Wir können uns schon frei entscheiden, aber ich denke mal, dass das Gewissen uns steuert und dass das auch richtig ist. Ich weiß nicht, ob ich so weit gehen würde, zu sagen, dass Gott sich dabei einmischt … Wir sind an sich frei, etwas zu tun, aber müssen halt schauen, dass wir uns an das Richtige halten.
Fiph: Sie sprachen davon, dass Gott sich möglicherweise über das Gewissen einmischt. Wie stellen Sie sich das vor?
Pia: Da kann ich jetzt nur von mir reden: Weil ich christlich großgeworden bin, könnte ich mir schon vorstellen, dass Gott – weil ich ihm erlaube, einzugreifen – mich quasi über mein Gewissen lenkt und leitet.
Fiph: Können Sie denn frei sein, wenn Sie über Ihr christliches Umfeld bestimmt sind?
Pia: Ich glaube, jeder Mensch kommt schon so auf die Welt, dass er sich über sein Umfeld hinwegsetzen könnte, dass er frei ist, daraus auszubrechen.

(Die Namen der Befragten wurden von der Redaktion geändert.)

Interviews: Eike Bohlken und Dominik Hammer

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Beitragsthemen: Anthropologie | Freiheit

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