Pro: Bernd Sommer
Es ist und bleibt ein Widerspruch: Zum Schutze von Demokratie und Freiheit erlaubt das Grundgesetz das Verbot von Parteien. Aber die Väter des Grundgesetzes hatten vor dem Hintergrund der Erfahrungen der Weimarer Republik gute Gründe dafür, dieses Paradoxon in der Verfassung zu verankern. Eine „aktiv kämpferische, aggressive Haltung“ gegenüber der freiheitlich demokratischen Grundordnung gilt als Kriterium für die Verfassungswidrigkeit einer Partei. Seit der Sozialistischen Reichspartei, einer Nachfolgeorganisation der NSDAP, hat wohl kaum eine Partei diesem Kriterium so klar entsprochen wie die NPD unter ihrem Vorsitzenden Udo Voigt, der die Partei dem militanten Neonazispektrum öffnete. Nach dem Scheitern des Verbotsverfahrens im Jahr 2003 hält sich die NPD für immun gegen die Verbotsgefahr und hat sich weiter radikalisiert. Bei der NPD handelt es sich nicht um ein kleines Grüppchen ewig oder neu Gestriger, von dem keine wirkliche Gefahr für die Demokratie ausgeht. In den vergangenen Jahren hat die NPD in den neuen Bundesländern gezielt Strukturen aufgebaut. In der Sächsischen Schweiz und der Uckermark ist sie mittlerweile fest verankert und erzielte bei den Landtagswahlen in Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern in einigen Gemeinden über 20 Prozent. Klar ist, durch ein Verbot der NPD lässt sich das Problem des „Rechtsextremismus“ nicht lösen. Wird die Partei verboten, bleiben die Personen mit ihren menschenfeindlichen Einstellungen und organisieren sich neu. Gleichzeitig ist der „Kampf gegen Rechtsextremismus“ eben auch ein Kampf, also eine Auseinandersetzung zwischen gesellschaftlichen Kräften. Ein Verbot der NPD würde die Infrastruktur des organisierten Rechtsextremismus in Deutschland erheblich schwächen. In Anbetracht des Gefahrenpotenzials, das von der NPD ausgeht, sollte der Widerspruch in Kauf genommen werden, die Freiheits- und Partizipationsrechte der NPD einzuschränken, um die Demokratie insgesamt zu schützen.
Bernd Sommer ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Kulturwissenschaftlichen Institut Essen.
Contra: Armin Pfahl-Traughber
Das Grundgesetz gestattet das Verbot einer Partei, die sich gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung richtet. Die NPD gibt gegenwärtig mit ihrer offenen Forderung nach Abwicklung der Bundesrepublik Deutschland und ihrer aggressiven und pro-nazistischen Agitation noch mehr Anlass zu einem Parteiverbot als noch vor einigen Jahren. Ein solcher Schritt würde einem bestimmten Lager des Rechtsextremismus die Strukturen zur politischen Arbeit nehmen. Weder könnte es zu Wahlen antreten, noch die Vorteile des Partei-Status etwa bei der Anmeldung von Demonstrationen nutzen und auch nicht mehr wie bisher gezielte Agitation betreiben. Darüber hinaus würde man nach Wahlerfolgen auch nicht mehr an der staatlichen Parteienfinanzierung partizipieren. Und schließlich dürfte auf den legalistischen Teil des Rechtsextremismus insoweit politischer Druck ausgeübt werden, als man sich zumindest verbal distanziert und mäßigt. Gleichwohl stehen diesen Argumenten für ein Verbot doch weitaus tragfähigere Argumente gegen ein Verbot gegenüber: Zunächst gelten Grundrechte für alle Bürger, demgemäß auch für Rechtsextremisten; sie sollten nur unter besonderen Umständen eingeschränkt werden. Ein Verbot träfe zwar die Parteistruktur – aber nur eingeschränkt die Parteimitglieder. Menschen mit ihren Meinungen lassen sich in einer pluralistischen Gesellschaft nicht verbieten. Insofern würde nur eine Erscheinungsform des Rechtsextremismus, nicht das gesellschaftliche Problem des Rechtsextremismus bekämpft. Der Staat macht es sich mit dem schlichten Akt des Verbotes auch zu einfach und fördert damit nicht die inhaltliche Auseinandersetzung mit antidemokratischen Positionen. Gerade dies ist notwendig, nicht nur zur Bekämpfung der Rechtsextremisten, sondern um in der Öffentlichkeit ein stärkeres Bewusstsein für demokratische Werte zu fördern. Durch ein Verbot droht der repressive Demokratieschutz den diskursiven Demokratieschutz zu überlagern.
Armin Pfahl-Traughber ist Professor an der Fachhochschule für öffentliche Verwaltung, Außenstelle Heimerzheim, mit Arbeitsschwerpunkt Extremismus.
Erstveröffentlichung in fiph-Journal Frühjahr 2007, S. 20.
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