InDepth-longread: Passiver Widerstand? Der Körper und die feministische Philosophie

Kaja Kröger

1. Einleitung

Der Körper ist nicht nur ein Widerstand in der materiellen Welt, er ist es auch in der feministischen Philosophie.

In erster Linie erachtet die traditionelle patriarchale Philosophie und ihre Institutionalisierung die Zentrierung körperlicher Erfahrung als Erkenntnisorgan als auch als Erkenntnisobjekt als illegitim, was in feministischer Theorie bereits im letzten Jahrhundert eingehend thematisiert worden ist.[1] Gleichzeitig gab es aber auch im Zuge der Entwicklung poststrukturalistischer feministischer Theorien wiederum ein zunehmendes Fremdeln mit einer positiven und identifikatorischen Bezugnahme auf Körperlichkeit. Doch woher kommt dieses philosophische Unbehagen bezüglich des Körpers? Und welche Probleme begegnen jenem feministischen Denken heutzutage, das Verstrickungen von Körperlichkeit und Geschlecht artikulieren möchte?

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InDebate: Emanzipation fehlgeschlagen: Wieso Feminismus nicht reicht

Lisz Hirn

Die ungleiche Situation von Mann und Frau ist ein alter Hut. Sie bestand schon lange, bevor die französische Philosophin Simone de Beauvoir 1949 ihr Grundlagenwerk »Das andere Geschlecht« veröffentlichte. Ihr erklärtes Ziel war damals, die Ursachen dieser Ungleichbehandlung zu analysieren, um die Frauen aus diesem Teufelskreis zu befreien. Die Philosophin diagnostizierte seinerzeit, dass diese Welt immer den Männern gehört habe und noch immer gehöre. Beauvoirs Buch zeigt akribisch, dass sich patriarchale Strukturen an nahezu allen Orten unseres Lebens finden lassen und wie sie sich bemühen, die Unterdrückung zu halten.

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InDebate: Dem König das Gesicht zeigen. Über Rousseau und die Politik der Authentizität

Paul Stephan

In den Bekenntnissen, seiner großen epochemachenden Autobiographie, berichtet Rousseau ein bemerkenswertes Ereignis. Seine Oper Der Wahrsager soll am Hof des Königs uraufgeführt werden, er selbst ist zu ihrer Premiere eingeladen. Rousseau erinnert sich:

„Ich war an diesem Tag im gleichen nachlässigen Aufzug wie gewöhnlich mit starkem Bart und ziemlich schlecht gekämmter Perücke. Ich nahm diesen Mangel an Anstand für einen Akt des Muts und betrat so den gleichen Saal, in dem sich etwas später der König, die Königin, die königliche Familie und der ganze Hof einfinden sollten. Ich ließ mich in der Loge nieder […]. Es war eine große Proszeniumsloge, gegenüber einer kleinen, höher gelegenen Loge, wo der König mit Frau von Pompadour seinen Platz nahm. Von Damen umgeben und als einziger Mann im Vordergrund der Loge, konnte ich nicht daran zweifeln, daß man mich gerade dorthin gesetzt hatte, damit man mich sehen könnte. Als ich mich nach dem Anzünden der Lichter in diesem Aufzug erblickte, inmitten all der übermäßig geputzten Leute, begann ich mich unbehaglich zu fühlen. Ich fragte mich, ob ich an meinem Platze sei, ob ich ihn schicklich einnähme, und nach einigen Minuten der Unruhe antwortete ich mit einer Dreistigkeit: Ja! die vielleicht mehr von der Unmöglichkeit, es zu ändern, als von der Kraft meiner Gründe kam. Ich sagte mir: Ich bin an meinem Platze, da ich mein Stück spielen sehe, da ich dazu eingeladen bin, da ich es nur dazu verfaßt habe und nach all dem niemand mehr Recht hat als ich, die Frucht meiner Arbeit und meiner Talente zu genießen. Ich bin gekleidet wie gewöhnlich, nicht besser und nicht schlechter.“[1] Weiterlesen

InDebate: Gleichberechtigung. Die ZEIT ist reif für Veränderung: die Zweite

Agnes Wankmüller

Im InDebate-Artikel vom 27.07.2018 wurde die Art und Weise kritisiert, wie die ZEIT mit den Artikeln „Der bedrohte Mann“ von Jens Jessen (05.04.18) und der Replik „Mann irrt“ von Bernd Ulrich die Abbildung eines ausgewogenen Meinungsspektrums suggeriert. Dazu wurden einige zentrale Positionen der Artikel zusammengetragen. Im Folgenden werde ich meinen Kommentar zu den ersten beiden Auszugssegmenten zur #metoo-Debatte und zur Verantwortungszuweisung in aller Kürze nochmals zusammen fassen und ausführlicher zum dritten Punkt übergehen, der sich mit dem Verhältnis von Feminismus und Universalismus beschäftigt.

1) „#metoo geht zu weit“

… Nö.

2) „Feministinnen halten alle Männer für Triebtäter“

… Nö.

3) „Vernunft und allgemeine Menschenrechte sind mit der feministischen Forderung nach Gleichheit nicht angezielt.“

Jessen: „Glauben die Frauen, die den Vernunftgrund des abendländischen Humanismus kündigen, für alle Frauen zu sprechen?“ „Ihre Ideologie zwingt sie dazu, die Geschlechter über jede Individualität hinweg absolut zu setzen: Männer als Besitzer von Macht, Frauen als deren Opfer“.

Ulrich: „Es brauchte eine Weile bis ich mich auf den im Grunde sehr simplen Gedanken bringen ließ, dass es für die jungen Frauen egal ist, ob früher alles schlimmer war, dass sie Profiteurinnen von Kämpfen sind, die andere vor ihnen ausgefochten hatten. Sie sahen und sehen schlicht nicht ein, warum sie überhaupt noch einen Nachteil für ihr Geschlecht in Kauf nehmen sollten.“ „Schließlich wurde Alice Schwarzers Kampf gegen häusliche Gewalt in den Siebzigern von vielen als ebenso übertrieben empfunden und hingestellt wie 1983 die Forderung der Grünen Petra Kelly im Bundestag, Vergewaltigung in der Ehe unter Strafe zu stellen, was dann erst 1997 geschah.“ „Wer sich allein auf die Vernunft und die allgemeine Menschlichkeit beruft, wer die existentiellen Unterschiede in ethnischer, sexueller und sozialer Sicht ignoriert, der verfehlt die Wirklichkeit und degradiert die Vernunft zum Werkzeug bestehender Machtverhältnisse“. Weiterlesen