InDebate: Gleichheit vor dem Virus! – Verwundbarkeiten in der Corona-Krise[1]

Totentanz, https://commons.m.wikimedia.org/wiki/File:Totentanz_blockbook_o.jpg

Jürgen Manemann

„Nackt in der Badewanne“ verkündete Madonna in einem Videoclip, dass das Coronavirus „der große Gleichmacher“ sei, und stellte dabei erleichtert fest: „Wenn das Schiff untergeht, gehen wir alle zusammen unter.“[2] Eine solche Aussage zeugt von Blindheit gegenüber den unterschiedlichen Verwundbarkeiten, denen unterschiedliche Menschen aufgrund unterschiedlicher Gefährdungen in der Corona-Pandemie ausgesetzt sind. Zu Recht rieben sich einige Fans die Augen; verwundert ob derlei Weltfremdheit mahnten sie: „Entschuldige, meine Königin, ich liebe dich so sehr, aber wir sind nicht gleich. Wir können durch die gleiche Krankheit sterben, aber die Armen werden am meisten leiden. Romantisiere diese Tragödie nicht“.[3]

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InDebate: Corona und Ausgangsbeschränkungen

Marcus Döller

Es scheint dieser Tage einen liberalen Konsens darüber zu geben, dass ein Rückzug ins Private und Häusliche geboten sei. „Stay Home! Stay safe!“ – so lautet die Anrufung. Der Gedanke des Rückzuges ins Private und Häusliche markiert dabei freilich selbst schon eine privilegierte Perspektive. Der Rückzug ins Private, Geschützte, Isolierte macht dabei zweierlei strukturelle Fehler: Zum einen naturalisiert er das Private und das „Zuhause“ als einen Ort der Sicherheit und des Rückzuges, der für viele nichts anderes als die Hölle sein muss. Zum anderen setzt dieser Gedanke das Private dem Politischen und damit öffentlich Verhandelbaren entgegen. Beide Fehler sind Grundfehler, die dem Liberalismus eingeschrieben sind und nun auf falsche Weise reproduziert werden.

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InDepth – shortread: Von der Solidarität über die Befreiung zum Exodus. Eine politisch-philosophische Perspektive[1]

Simon Faets

Einleitung

Ich möchte mich in meinem Beitrag mit der Verhältnisbestimmung von Solidarität und Befreiung auseinandersetzen. Diese beiden Begriffe, so die leitende These, stehen in keinem zufälligen Verhältnis zueinander, sondern sind begrifflich miteinander verschränkt. Die Verbindung der Solidarität mit dem Begriff der Befreiung ist keine äußerliche, sondern eine interne, ja intrinsische Verbindung. Denn die Solidarität ist selbst eine Form der Befreiung, ihr Sinn oder ihre Bestimmung ist die Befreiung von Unterdrückung und Ungerechtigkeit. Von der Solidarität führt deshalb ein direkter Weg zur Befreiung, weil die Solidarität an sich ein Modus der Befreiung ist.

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InDebate: Gleichberechtigung. Die ZEIT ist reif für Veränderung

 

Agnes Wankmüller

Die ZEIT hat die Debatte um Geschlechtergerechtigkeit und sexuelle Gewalt in einer Reihe von Artikeln wieder aufleben lassen. Leider auf eine Art und Weise, die der Debatte mehr schadet als nützt. Im Titelthema-Artikel „Der bedrohte Mann“ von Jens Jessen in der Ausgabe vom 05.04.18, auf den eine Woche später die Replik „Mann irrt“ von Bernd Ulrich folgte, gelingt es zwar, verschiedene Positionen aus dem Meinungsspektrum zur Gleichstellungsdebatte anzusprechen. Den konservativen bis antifeministischen Statements von Jessen, die befremdlich nahe an den Strohmann-Argumenten der üblichen Youtube-Antifeministen liegen (zumindest jener, die subtil genug sind, sich nicht offen für die Unterwerfung der Frau durch den Mann auszusprechen), folgt eine Replik durch Ulrich: Diese verbleibt in einer moderat-bürgerlichen, mittleren Position und versäumt es, eine deutliche Gegenposition zu entwickeln. Durch die Gegenüberstellung beider Artikel als „Titelthema“ und „Replik“ wird durch die ZEIT jedoch eine Balance zwischen zwei ähnlich von der Mitte entfernt gelagerten Haltungen, und damit eine gewisse Neutralität suggeriert. Wie im Folgenden anhand von Auszügen aus beiden Texten gezeigt werden soll, trägt dies letztlich  dazu bei, die konservative Position zu affirmieren und die Bewusstseinsbildung für die Notwendigkeit der Debatte zu untergraben. Weiterlesen