Die neuen feministischen Materialismen erlangen immer größere Bekanntheit seit der Jahrtausendwende.[1] Auch wenn man nicht von einheitlichen Denkschulen sprechen kann, ist den Beiträgen ein Fokus auf verschiedene Dinge, Objekte und Materialität gemeinsam. Deren ontologischer, politischer und gesellschaftlicher Status wird neu ausgelotet – jedoch im Unterschied zum empiristischen Materialismus unter der Prämisse eines ent-naturalisierten, hybridisierten und dynamischen Verständnisses von Materialität und Natur. Wichtig dabei ist eine Verschiebung von Handlungsfähigkeit weg vom Menschen, weg überhaupt von Einzeldingen und hin zu Gefügen und Verbindungen. Es sind nun plurale Netzwerke und heterogene Zusammenkünfte, die in ihren Beziehungen handeln, tätig und produktiv sind (Alaimo & Hekman 2008; Coole & Frost 2010; van der Tuin & Dolphijn 2012; Hoppe & Lemke 2021).
„Unsere Zuschauer müssen nicht nur hören, wie man den gefesselten Prometheus befreit, sondern sich auch in der Lust schulen ihn zu befreien.“
Bertold Brecht (1967: 774)
Stuck in a Hyperloop
Das auf Betreiben von Tesla– und SpaceX-Gründer Elon Musk entwickelte Transportsystem Hyperloop erhebt den Anspruch, vollständig klimaneutral sein zu wollen und „Ultra-Hochgeschwindigkeitsverkehr“ von Stadtzentrum zu Stadtzentrum zu ermöglichen (vgl. TUM Hyperloop o. D.). Die Passagiere sollen dabei in einer von Elektromagneten beschleunigten Kapsel transportiert werden, welche sich in einer Vakuumröhre bewegt, um Luftwiderstand zu vermeiden. Die Zielgeschwindigkeit der Hyperloop-Kapseln soll bei 1.000 Kilometern pro Stunde liegen, in der Realität erreichen unbemannte Kapseln auf den Teststrecken derzeit lediglich Geschwindigkeiten von bis zu 467 km/h, was unwesentlich mehr ist, als ähnlich schnelle Magnetschwebebahntechnologien, welche sich beispielsweise in Japan bereits in der Konstruktion befinden und Geschwindigkeiten von um die 420 km/h erreichen sollen. Im Gegensatz zu diesen bieten Hyperloop-Kapseln aber nur Raum für eine vergleichsweise kleine Anzahl von 28 Passagieren. Dadurch kommen sie auf eine Kapazität von gerade einmal 336 Passagieren pro Stunde pro Richtung, verglichen mit den 5.400-10.000, die eine reguläre Bahn transportieren kann (vgl. Von Eichhorn 2021). Weder ausgereift, noch unmittelbar besser als andere, bereits existierende Systeme, bleibt von dieser scheinbaren Verkehrsrevolution in erster Linie eins: sehr viel heiße Luft.
Das
Chthuluzän ist ein Zeitalter, in dem die Hoffnung für alle In-der-Welt-seienden
Agent*innen wieder wachsen muss. Nur in der Allianz von Mensch(en), Natur und Technik
wächst das Rettende. In der Entwicklung einer neuen Ontologie, die sich am
Aufeinandertreffen in der Welt orientiert, kann das komplexe Netz der
Verweisungen (technischer Systeme) wieder denkbar und begreifbar gemacht
werden. Dieser Essay plädiert für eine Neubegegnung mit der Welt in ihrer
Gesamtheit aus Natur und (Techno)Kultur, um das mythisch gewordene Sosein der
Technik neu denken zu können und damit neue Antworten auf die drängenden Fragen
dieser Zeit entwickeln zu können. Er greift dabei auf die Positionen
neomaterialistischer Denker*innen zurück und versucht eine Zusammenführung mit
technikphilosophischen Positionen und Ansätzen, sowie einem generellen
Nachdenken über Technik. Die Frage nach der Technik muss sich immer mit der
Frage danach verbinden, worauf wir hoffen dürfen – mit einem Wir, das Menschen
wie die Anderen-in-der-Welt-Seienden (critters) meint. Dabei soll
herausgestellt werden, dass es den Menschen, mit deren Fähigkeit zum Antworten,
d.i. response-ability, obliegt, in eine lebbare Zukunft zu weisen, für die es
sich zu hoffen und zu kämpfen lohnt.
Einleitung
Unter dem Motto „Fridays for Future”[1] gehen aktuell international Schüler*innen
auf die Straße, um für eine nachhaltige Klimapolitik zu demonstrieren. Die
Jugend begehrt auf, um ihre Zukunft zu schützen. Die Zeit scheint gekommen, in
der das Damoklesschwert des Klimawandels über dem reichen Gabentisch des
Kapitalismus nicht länger ignoriert werden kann. Der Klimawandel ist zum Sinn-
und Streitbild des ausufernden technischen Systems geworden, das sich auf
fossile Brennstoffe gründet und in der scheinbaren Omnipräsenz seiner
Auswirkungen den Begriff des Anthropozän hervorgebracht hat, d.i. das Zeitalter
der Allgegenwart der Spuren des Menschen in der (Um)Welt.
Kann man die Umwelt als politisches Subjekt denken? Ich denke nicht. Mit dieser Einschätzung reagiere ich direkt auf die neuste Tendenz neomaterialistischer Philosophie und deren Implikationen für praktisch orientierte Individuen. Vor allem Forscher*innen, die sich posthumanistischer und neomaterialistischer Philosophie verschrieben haben, versuchen im Moment, den Begriff der Politik neu zu denken, indem sie sich auf Denker wie Gilles Deleuze, Felix Guattari, Henri Bergson, Maurice Merleau-Ponty, Friedrich Nietzsche oder Jakob von Uexküll beziehen. Sie wollen das Denken über Politik auf einer anderen Sprache und einem anderen Denkbild fußen und nehmen an, dass diese Neukonzeptualisierung direkt zu einer anderen politischen Praxis führt. Wie interessant und wertvoll diese Beiträge auch sein mögen, zur Debatte steht, ob es wirklich Politik ist, über die diese gegenwärtigen materialistischen Philosoph*innen nachdenken. Weiterlesen →