Fabian Heubel
Seit vielen Jahren arbeite ich im Kontext chinesischsprachiger Gegenwartsphilosophie. Die daraus erwachsenden Erfahrungen stehen in schroffem Kontrast zu dem, was sich in der deutschsprachigen Philosophie beobachten läßt. In dieser ist das Interesse, ja selbst die Neugier für philosophische Entwicklungen außerhalb des anglo-europäischen Rahmens nach wie vor erstaunlich – um nicht zu sagen: schockierend – gering; zu schweigen von der breiten institutionellen Verankerung von Forschung und Lehre in diesem Bereich. In China hingegen ist akademische Philosophie, seit ihrer institutionellen Herausbildung im frühen 20. Jahrhundert, prinzipiell interkulturell strukturiert. Damit ist zunächst gemeint, dass philosophische – und nicht nur philosophische – Reflexion auf den von schweren Krisen und Kulturbrüchen begleiteten Weg der chinesischen Modernisierung ohne dauerhafte und tiefgreifende Interaktion mit westlicher Philosophie nicht möglich gewesen wäre. Philosophie musste interkulturell werden, um intellektuell auf die aus dem Westen kommende Herausforderung reagieren zu können; sie konnte gar nicht anders als auf dem Wege einer breit angelegten und geduldigen Rezeption und Transformation westlicher Theorien und Terminologien eine neue philosophische Sprache zu schaffen. Weiterlesen