Im Februar dieses Jahres veröffentlichte das New York Times Magazine einen Artikel zur Arbeitssituation in den USA seit Beginn der Corona-Pandemie.[1] Unter dem Titel „The Age of Anti-Ambition“ schrieb Noreen Malone über die (gefühlte) Sinnlosigkeit mancher Jobs, die durch die in der Corona-Pandemie aufgekommene Aufteilung „systemrelevant“ und „nicht-systemrelevant“ noch einmal verstärkt werde – vorausgesetzt man falle in die Kategorie „nicht systemrelevant“. Die im englischen Sprachraum geläufigen Termini „essential“ und „non-essential“ scheinen auf ihre Art noch einmal brutaler zu wirken: Während nicht systemrelevante Berufe zumindest noch eine andere Relevanz haben können – außersystemisch, individuell, persönlich o.ä. – klingen die unwesentlichen, also non-essential Jobs einfach vernachlässigbar und könnten in letzter Konsequenz doch einfach weggelassen werden.
„Unsere Zuschauer müssen nicht nur hören, wie man den gefesselten Prometheus befreit, sondern sich auch in der Lust schulen ihn zu befreien.“
Bertold Brecht (1967: 774)
Stuck in a Hyperloop
Das auf Betreiben von Tesla– und SpaceX-Gründer Elon Musk entwickelte Transportsystem Hyperloop erhebt den Anspruch, vollständig klimaneutral sein zu wollen und „Ultra-Hochgeschwindigkeitsverkehr“ von Stadtzentrum zu Stadtzentrum zu ermöglichen (vgl. TUM Hyperloop o. D.). Die Passagiere sollen dabei in einer von Elektromagneten beschleunigten Kapsel transportiert werden, welche sich in einer Vakuumröhre bewegt, um Luftwiderstand zu vermeiden. Die Zielgeschwindigkeit der Hyperloop-Kapseln soll bei 1.000 Kilometern pro Stunde liegen, in der Realität erreichen unbemannte Kapseln auf den Teststrecken derzeit lediglich Geschwindigkeiten von bis zu 467 km/h, was unwesentlich mehr ist, als ähnlich schnelle Magnetschwebebahntechnologien, welche sich beispielsweise in Japan bereits in der Konstruktion befinden und Geschwindigkeiten von um die 420 km/h erreichen sollen. Im Gegensatz zu diesen bieten Hyperloop-Kapseln aber nur Raum für eine vergleichsweise kleine Anzahl von 28 Passagieren. Dadurch kommen sie auf eine Kapazität von gerade einmal 336 Passagieren pro Stunde pro Richtung, verglichen mit den 5.400-10.000, die eine reguläre Bahn transportieren kann (vgl. Von Eichhorn 2021). Weder ausgereift, noch unmittelbar besser als andere, bereits existierende Systeme, bleibt von dieser scheinbaren Verkehrsrevolution in erster Linie eins: sehr viel heiße Luft.
Das
Chthuluzän ist ein Zeitalter, in dem die Hoffnung für alle In-der-Welt-seienden
Agent*innen wieder wachsen muss. Nur in der Allianz von Mensch(en), Natur und Technik
wächst das Rettende. In der Entwicklung einer neuen Ontologie, die sich am
Aufeinandertreffen in der Welt orientiert, kann das komplexe Netz der
Verweisungen (technischer Systeme) wieder denkbar und begreifbar gemacht
werden. Dieser Essay plädiert für eine Neubegegnung mit der Welt in ihrer
Gesamtheit aus Natur und (Techno)Kultur, um das mythisch gewordene Sosein der
Technik neu denken zu können und damit neue Antworten auf die drängenden Fragen
dieser Zeit entwickeln zu können. Er greift dabei auf die Positionen
neomaterialistischer Denker*innen zurück und versucht eine Zusammenführung mit
technikphilosophischen Positionen und Ansätzen, sowie einem generellen
Nachdenken über Technik. Die Frage nach der Technik muss sich immer mit der
Frage danach verbinden, worauf wir hoffen dürfen – mit einem Wir, das Menschen
wie die Anderen-in-der-Welt-Seienden (critters) meint. Dabei soll
herausgestellt werden, dass es den Menschen, mit deren Fähigkeit zum Antworten,
d.i. response-ability, obliegt, in eine lebbare Zukunft zu weisen, für die es
sich zu hoffen und zu kämpfen lohnt.
Einleitung
Unter dem Motto „Fridays for Future”[1] gehen aktuell international Schüler*innen
auf die Straße, um für eine nachhaltige Klimapolitik zu demonstrieren. Die
Jugend begehrt auf, um ihre Zukunft zu schützen. Die Zeit scheint gekommen, in
der das Damoklesschwert des Klimawandels über dem reichen Gabentisch des
Kapitalismus nicht länger ignoriert werden kann. Der Klimawandel ist zum Sinn-
und Streitbild des ausufernden technischen Systems geworden, das sich auf
fossile Brennstoffe gründet und in der scheinbaren Omnipräsenz seiner
Auswirkungen den Begriff des Anthropozän hervorgebracht hat, d.i. das Zeitalter
der Allgegenwart der Spuren des Menschen in der (Um)Welt.
Nichts weniger als die Zukunft der globalen Gesellschaft war das Thema des am 24. November 2014 in Berlin ausgerichteten „EINEWELT Zukunftsforums„. Eingeladen hatte das Bundesministerium für wirtschaftliche Entwicklung und Zusammenarbeit (BMZ), um den Abschluss des Dialogprozesses, der Anfang 2014 gemeinsam mit zahlreichen Nichtregierungsorganisationen, Vereinen und Initiativen gestartet worden war, mit der Übergabe der daraus entstandenen „EINEWELT Zukunftscharta“ an die Bundeskanzlerin zu begehen. Eingerahmt von „Zukunftsslams“ und „Erlebnisinseln“, in denen die verschiedenen Akteure sich und ihre Projekte vorstellen konnten, präsentierte sich eine durchweg zufriedene Bundesregierung. Die insgeheim ausgegebene Losung der Veranstaltung dürfte jedoch „Alles unter Kontrolle, keine Panik“ gelautet haben. Welthunger, Armut und Klimawandel wurden zu einer rein technologischen Herausforderung stilisiert, die im Rahmen des bestehenden Systems bewältigt werden kann. Die Logik des Wachstums wird mit dem Stichwort Nachhaltigkeit indiziert. Das beruhigt und schont die Nerven: Wir müssen nicht uns ändern. Jedenfalls nicht radikal. Wir bauen energieeffiziente Häuser und höhere Deiche. Wir kaufen fair gehandelten Kaffee und trinken Wasser aus der Leitung statt aus Plastikflaschen. Der notwendige radikalere Kulturwandel wird vertagt. Weiterlesen →