Dieser Text ist Teil eines Serienbeitrags zu Alasdair MacIntyres Buch „Der Verlust der Tugend. Zur moralischen Krise der Gegenwart“. Weitere Episoden werden in Kürze folgen.
Teil 2: Die soziale Welt des Emotivismus – Von Rollen und Charakteren sowie dem emotivistischen Selbst im kulturellen Klima eines individualisierten Bürokratismus
In der gegenwärtigen deutschen Politik werden bereits seit einigen Jahren immer wieder Parallelen des aktuellen Geschehens zur Weimarer Republik mit Erinnerung an die damit einhergehenden Gefahren aufgezeigt.[1] Finden wir in der Philosophiegeschichte vielleicht ähnliche Parallelen in dem von MacIntyre aufgezeigten sozialen Kontext des Emotivismus, der ebenfalls zu Beginn des 20. Jahrhunderts aufkam und Aufschluss geben könnte für die von ihm diagnostizierte „moralische Krise der Gegenwart“? Finden wir Anhaltspunkte dafür, dass wir immer noch in einer emotivistischen Welt leben?
Den ersten Teil dieses Blog-Beitrags hatte ich eingeleitet mit aktuellen Entwicklungen: Oligarchen, die in der Weltpolitik mitmischen; die selbstverständliche und ungestrafte Verbreitung von Lügen oder Ansprüchen durch Staatenlenker, aber auch deren (nach Verlust einer Wahl durch Eigeninteresse motivierter) Aufruf politischer Anhänger beispielsweise zum Sturm auf das Capitol (die dann zum Dank sogleich nach neuem Amtsantritt begnadigt wurden); der Kniefall von Wirtschaftsbossen vor den Mächtigen der Welt. Diese Stichpunkte sind mir während der Lektüre dieses Kapitels – wenn es bei MacIntyre z.B. um manipulierte und manipulierende Menschen geht sowie um Menschen, die in erster Linie ihren Rollenerwartungen entsprechen – erneut durch den Kopf gegangen. Aber auch diejenigen Menschen, die diese Politiker – die ihre in den letzten Jahrhunderten mühsam errungenen demokratischen Rechte sukzessive gefährden – dennoch wählen, kamen mir in den Sinn, wenn MacIntyre das emotivistische Selbst charakterisiert[2]; ebenso wie die sogenannten “Querdenker“ und die stattgefundenen Corona-Diskussionen ein Beispiel für einen Konflikt der von MacIntyre aufgezeigten Beziehungen zwischen individueller Freiheit und staatlicher/bürokratischer Macht sein könnten.
Von beruflichen Rollenerwartungen zur Professionsethik
Positiv habe ich für mich festgehalten, dass in den letzten fünfzig Jahren seit dem Erscheinen von MacIntyres Buch, in dem er auch auf die Rollenerwartungen eingeht, die mit bestimmten Berufen verknüpft sind, zunehmend Berufsverbände an einer Berufsethik für bestimmte Professionen arbeiten und damit moralische Mindeststandards für das Ausüben bestimmter Berufe vorgeben.[3] So gibt es beispielsweise Ethikkodizes für Journalist:innen, Sozialpädagog:innen und Sozialarbeiter:innen, Ärzt:tinnen; Tierärzt:innen, Ingenieur:innen, Revisor:innen, Pflegefachpersonen. Negativ ist mir in diesem Zusammenhang aufgefallen, dass – wenn ich es recht sehe – die im öffentlichen Dienst beschäftigten Arbeitnehmer:innen und Beamtent:innen (wie Lehrer:innen, Polizist:innen, Richter:innen[4], Verwaltungsfachangestellte) – in der Regel nicht durch Berufsverbände, sondern durch Gewerkschaften vertreten werden, die ja eher für die Durchsetzung der Rechte ihrer Mitglieder als für die Ausarbeitung professioneller Berufsstandards bekannt sind (MacIntyre verweist insbesondere auch für den Bereich, in dem diese Menschen arbeiten, auf das problematische Verhältnis von Bürokratie und Macht/Zweckrationalität).
Zudem fallen mir durchaus abweichende positive Beispiele ein für Menschen, die nicht ihren sozialen Rollenerwartungen oder den von MacIntyre beschriebenen Charakteren entsprechen, ggf. sogar auf deren Veränderung hinwirken wollen und den Anspruch haben, sich als Individuum ein eigenes moralisches Urteil zu bilden und auch danach zu handeln. Sie positionieren sich öffentlichkeitswirksam oder aber agieren – unbemerkt von der Öffentlichkeit – entsprechend ihrer eigenen moralischen Vorstellungen in ihren jeweiligen Positionen/Institutionen, abweichend von denen, die ihnen die gängige gesellschaftliche Rolle zuschreiben würde. Beispielsweise treten hinsichtlich des von MacIntyre skizzierten Charakters des „reichen Ästheten“ immer wieder Menschen in die Öffentlichkeit, die aus eigenen Beweggründen mehr soziale Verantwortung übernehmen wollen, als die Politik sie ihnen abverlangt, wenn sie z.B. öffentlich eine höhere Besteuerung der eigenen Einkünfte/Vermögen/Erbschaften fordern oder Privatvermögen in öffentlich-rechtliche Stiftungen überführen. (Aber natürlich gibt es hier auch eine gegenteilige Seite: öffentliche Personen, die als „Wohltäter“ bekannt sind, jedoch in recherchierten Steuerskandalen als Menschen geoutet wurden, die ihr Vermögen in dubiosen Steuerparadiesen geparkt haben, um es der Allgemeinheit zu entziehen.)
Die menschliche Angewiesenheit auf soziale Beziehungen
Und nicht zuletzt kommen mir – angesichts des von MacIntyre skizzierten Unterschieds zwischen dem modernen Selbst und seinem geschichtlichen, eng in soziale Gemeinschaften eingebundenen Vorgänger – auch die in unserer Gesellschaft gestrandeten Geflüchteten in den Sinn: sie stammen meist aus traditionelleren Gesellschaften und treffen hier auf unsere individualistische, moderne Gesellschaft. Unser Sozialstaat versorgt sie zwar mit Obdach und Nahrung, aber fühlen wir uns auch ausreichend verantwortlich für die soziale Eingliederung dieser Menschen? MacIntyre sagt dazu, dass Individuen einen bestimmten Raum innerhalb miteinander verknüpfter sozialer Beziehungen erben würden; fehle ihnen dieser, seien sie niemand oder bestenfalls Fremde oder Außenseiter. Müssen wir uns also wundern, wenn es – wie gerade wieder geschehen – zu schwerem Fehlverhalten/Amokläufen/Attentaten kommt, weil sie – vielleicht zusätzlich zu möglichen Traumatisierungen vor und während ihrer Flucht – bei ihrem Versuch, sich in der neuen Welt zurechtzufinden/anzukommen, weitere psychische Störungen entwickeln? Der Psychoanalytiker Wolfgang Schmidbauer führte jüngst in einem Beitrag in der Süddeutschen Zeitung, in dem er erklärt, warum es vor allem junge Männer sind, die zu Attentätern werden, aus (und hierbei bezieht er sich nicht nur auf den Attentäter von München vom 13. Februar dieses Jahres, sondern erinnert auch an den deutschen Piloten, der 2015 einen Airbus gegen eine Felswand steuerte, wobei 150 Menschen, darunter eine ganze Schulklasse, starben) [5]:
„(..) [I]n Gesellschaften wie unserer heutigen, in der individuelle Leistung zur zentralen Möglichkeit wird, Geltung zu erwerben und mit sich ins Reine zu kommen, wird der Mensch zum Richter seiner selbst. Er bewertet sich, sein Aussehen, seine Chancen auf eine befriedigende Liebesbeziehung, auf einen Beruf, der ihn glücklich macht. Im Urteil über das Gelingen oder Scheitern der Kränkungsverarbeitung junger Erwachsener stößt Empathie auf Grenzen. Welcher Tropfen ist es, der das Fass zum Überlaufen bringt? Welcher Strohhalm bricht den Rücken des Kamels? Einer muss es sein, aber welcher es ist, lässt sich nicht vorhersagen. Nur manchmal ahnen wir im Nachhinein, warum gerade in diesem Fall ein Mensch überfordert war. Menschen wünschen sich Freunde, sehnen sich nach gemeinsamer Erotik, hängen am Leben, solange sie sich auf etwas freuen können. In der Möglichkeit, sich mitzuteilen, über ihre inneren Zustände zu sprechen, entrinnen sie den Gefahren der absoluten Wut. Solange in ihnen emotional besetzte Bilder ihrer Freundinnen, Angehörigen, Liebsten auffindbar sind, sind sie vor dem Vernichtungswillen geschützt, der sich als Schatten der immensen Leistungsbereitschaft und Anpassungsfähigkeit des modernen Menschen identifizieren lässt.“
Soweit meine Gedanken. Aber lasst euren Assoziationen – beim Lesen im Sinne eines Close Reading – selbst freien Lauf, wenn MacIntyre in einem Exkurs sein Bild der sozialen Welt des Emotivismus wie folgt entwirft.
Die soziale Welt des Emotivismus – von manipulierten/„konsumierten“ Menschen und anderem
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MacIntyre weist zunächst wieder auf den manipulativen Charakter des Emotivismus hin: Wenn es stimmen sollte – wie der Emotivismus behauptet -, dass wertende Äußerungen nur der Ausdruck eigener Haltungen und Gefühle seien, könne man sich auf keine sachlichen Kriterien berufen, weil es keine sachlichen Kriterien gebe. In Wirklichkeit sei eine eindeutig moralische Darlegung dann „einzig der Versuch eines Willens, die Haltungen, Gefühle, Vorlieben und Entscheidungen eines anderen mit den eigenen in Einklang zu bringen“[6]. Und damit wäre – im Gegensatz zur Kant‘schen Ethik – die:der Andere immer Mittel, niemals Ziel.[7] MacIntyre führt aus: Eine Beziehung, die die:den Andere:n dagegen als Ziel behandele, würde der:dem Anderen anbieten, „was ich als gute Gründe dafür ansehe, auf eine bestimmte Art und nicht anderes zu handeln, es aber ihm zu überlassen, diese Gründe zu bewerten. Es bedeutet, sich zu weigern, einen anderen zu beeinflussen, außer durch Gründe, die dieser andere für gut erachtet. Es bedeutet, sich auf sachliche Kriterien zu berufen, deren Gültigkeit jeder rational Handelnde selbst beurteilen muß.“[8]
Mache ich den anderen aber zu einem Werkzeug meiner Zwecke, „brauche (ich) mich nur von den Verallgemeinerungen der Soziologie und der Psychologie der Überredung leiten zu lassen, nicht von den Maßstäben normativer Vernunft.“[9]
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Wie aber sieht die soziale Welt konkret aus, wie würde sie konkret sein, wenn der Emotivismus weitgehend als wahr vorausgesetzt würde? MacIntyre macht darauf aufmerksam, dass das soziale Detail von der Art bestimmter sozialer Kontexte abhängen würde[10]: „es wird einen Unterschied machen, in welchem Milieu und im Dienste welcher bestimmten und spezifischen Interessen die Unterscheidung zwischen manipulativen und nicht-manipulativen sozialen Beziehungen ausgelöst worden ist.“[11] William Gass[12] etwa habe anhand von Henry James Roman The Portrait of a Lady[13] ausgeführt, „was es bedeutet, ein Konsument von Menschen zu sein, und dessen, was es bedeutet, ein konsumierter Mensch zu sein“. Im Roman seien die „Konsumenten“ reiche Ästheten, „die daran interessiert sind, die Art von Langeweile abzuwehren, die so bezeichnend für den heutigen Müßiggang ist, indem andere zu einem Verhalten veranlaßt werden, das ihren eigenen Wünschen entgegenkommt, ihre übersättigte Lust befriedigt.“ MacIntyre führt weitere Werke wie Diderots Le Neveu de Rameau (Rameaus Neffe) und Kiekegaards Enten-Eller (Entweder-Oder) als Beispiele einer „langen Tradition moralischer Kritik“ an: „Das verbindende Inanspruchnehmen dieser Tradtition sind die Bedingungen derer, die in der sozialen Welt nichts als einen Treffpunkt individueller Willen sehen, von denen jeder seine eigenen Haltungen und Vorlieben hat, und die diese Welt nur als Arena zur Befriedigung ihrer eigenen Wünsche verstehen, die die Wirklichkeit als Abfolge von Gelegenheiten zu ihrer Belustigung betrachten und für die Langeweile der schlimmste Feind ist.“[14]
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Zum „völligen Verstehen des sozialen Kontexts der Aufhebung des Unterschieds zwischen manipulativen und nicht-manipulativen sozialen Beziehungen, die der Emotivismus mit sich bringt“[15], sei es erforderlich, auch andere soziale Kontexte zu betrachten. Ein wichtiger Kontext in diesem Zusammenhang entstehe durch die Existenz von Organisationen: Im Gegensatz etwa zum reichen Ästheten mit einem Zuviel an Mitteln verkörpere jede bürokratische Organisation – ob in Form privater Gesellschaften oder staatlicher Behörden – „irgendeine explizite oder implizite Definition von Kosten und Ertrag, aus der sich die Kriterien der Wirtschaftlichkeit ableiten lassen. Die bürokratische Rationalität ist die Rationalität, Mittel und Ziel wirtschaftlich und effizient aufeinander abzustimmen.“[16]
Diesen vertrauten und ursprünglich von Max Weber entwickelten Ansatz verortet MacIntyre im weitesten Sinne im Emotivismus, wenn er – in Anlehnung an Raymond Aron`s Sichtweise Webers – schreibt: „Fragen nach dem Ziel sind Fragen nach den Werten, und über die Werte schweigt sich die Vernunft aus; ein Konflikt zwischen rivalisierenden Werten läßt sich nicht rational lösen. Man muß statt dessen einfach wählen – zwischen Parteien, Klassen, Nationen, Ursachen, Idealen.“ [17] Im Denken Webers spiele daher die Entscheidung die Rolle, der beispielsweise bei Hare oder Sartre die Wahl der Prinzipien entsprechen würde.[18] Die Werte beruhten auf „einer Wahl, deren Rechtfertigung rein subjektiv ist“[19]. Während ein Handelnder noch mehr oder weniger rational sein möge, wenn er entsprechend seiner Wertvorstellungen handele, könne „die Wahl irgendeiner bestimmten wertenden Haltung oder Verpflichtung nicht rationaler sein als die irgendeiner anderen. Alle Überzeugungen und Werturteile sind gleichermaßen nicht-rational; alles sind subjektive Anweisungen an Empfindung und Gefühl.“[20] Die Folge von Webers Wertvorstellungen sei, dass „sein Porträt der bürokratischen Autorität (…) ein emotivistisches Porträt“[21] sei mit der Folge, dass „der Gegensatz zwischen Macht und Autorität (…) in seinem Denken wirksam verwischt wird“[22] – nach MacIntyre „ein besonderes Beispiel für die Aufhebung des Gegensatzes zwischen manipulativen und nicht-manipulativen sozialen Beziehungen“.[23] Zwar sei Weber natürlich von einem Unterschied zwischen Macht und Autorität ausgegangen, „gerade weil die Autorität Zielen und Überzeugungen dient“[24], doch da sich „nach Ansicht Webers (…) keine Art von Autorität auf rationale Kriterien berufen (kann), um sich zu verteidigen, ausgenommen jene Art bürokratischer Autorität, die sich auf ihre eigene Wirksamkeit beruft“, enthülle dieser Appell, „daß bürokratische Autorität nichts anderes als erfolgreiche Macht ist.“[25]
Auf seine eigene Gegenwart bezogen deute, so bemerkt MacIntyre, vieles darauf hin, „daß Manager heute diese Schlüsselrolle des Weberschen Konzepts der bürokratischen Autorität in ihrem Verhalten verkörperten“[26], wenn die Aufgabe des Managers darin bestehe, „Verhalten zu überwachen und Konflikte zu unterdrücken.“[27]
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MacIntyre kommt mit der obigen Schilderung des „Reichen“ und des „Managers“ auf das Vorhandensein gesellschaftlicher Rollen zu sprechen,die bestimmten Teilkulturen eigen seien: die Fähigkeit, sie wiederzuerkennen, sei „sozial sehr wichtig, denn die Kenntnis der Rolle ermöglicht es, die Handlungen der Einzelpersonen zu deuten, die die Rolle angenommen haben. Das ist deshalb wichtig, weil diese Einzelpersonen genau das gleiche Wissen benutzt haben, um sich in ihrem Verhalten führen zu lassen und es zu gestalten.“[28]
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Von dem Begriff der Rolle unterscheidet MacIntyre den Begriff des Charakters: Charaktere seien „soziale Rollen ganz besonderer Art, die der Persönlichkeit derjenigen, die sie innehaben, gewisse moralische Beschränkungen auferlegen, wie es andere soziale Rollen nicht tun. Ich wähle das Wort „Charakter“ für sie, weil es dramatische und moralische Assoziationen miteinander verbindet. (…) Im Charakter verschmelzen Rolle und Persönlichkeit auf eine speziellere Art als im allgemeinen; im Charakter sind die Handlungsmöglichkeiten enger definiert als im allgemeinen.“[29] Charaktere seien gewissermaßen die moralischen Vertreter ihrer Kultur, „und das sind sie wegen der Art, in der moralische und metaphysische Ideen und Theorien durch sie eine personifizierte Existenz in der sozialen Welt erhalten. Charaktere sind die Masken, die von den Moralphilosophen getragen werden.“[30]
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In der Art, wie Individuen, Rollen und Charaktere moralische Ansichten, Dogmen und Theorien verkörpern, gebe es Unterschiede:
Das Individuum drücke den Gehalt an moralischen Überzeugungen durch seine Intentionen in seinen Handlungen aus. Die Kette praktischen Denkens, dessen Schlussfolgerungen in solchen Handlungen zum Ausdruck kommen, sei eine individuelle; „und der Ort jener Gedankenkette, der Zusammenhang, der jeden Schritt zu einem Teil einer verstandesmäßig faßbaren Abfolge macht, ist die Handlungs-, Überzeugungs-, Erfahrungs- und Interaktionsgeschichte dieses einzelnen.“[31] MacIntyre veranschaulicht dies an folgendem Beispiel: „So können selbst kleine Handlungen wie das Verschicken eines Briefs oder das Überreichen eines Flugblatts an einen Passanten Intentionen verkörpern, deren Tragweite sich aus einem großen Vorhaben des einzelnen herleitet, einem Vorhaben, das selbst nur verständlich wird vor dem Hintergrund eines ebenso großen oder noch größeren Systems von Überzeugungen. Durch das Verschicken eines Briefs läßt jemand sich vielleicht auf eine Art unternehmerische Laufbahn ein, deren Spezifizierung den Glauben sowohl an die Lebensfähigkeit wie an die Berechtigung multinationaler Unternehmen erfordert; durch das Verteilen von Flugblättern drückt ein anderer vielleicht seinen Glauben an die Geschichtsphilosophie Lenins aus.“[32]
Soziale Rollen dagegen würden Überzeugungen auf eine völlig andere Art verkörpern: nämlich durch die Vorstellungen, Theorien und Dogmen, die durch diese Rolle ausgedrückt und vorausgesetzt würden. Es sei eine Unterscheidung zwischen Individuum und Rolle zu machen. Als Beispiel nennt MacIntye den katholischen Priester oder den Gewerkschaftsvertreter: Ein Priester zelebriere die Messe kraft seiner Rolle, könne jedoch andererseits seinen Glauben verloren haben; seine Überzeugungen können demnach denjenigen widersprechen, die durch seine Handlungen im Rahmen seiner Rolle zum Ausdruck kommen. Ähnlich der Gewerkschaftsvertreter, der kraft seiner Rolle für höhere Löhne, bessere Arbeitsbedingungen, sichere Arbeitsplätze verhandele, in seinem „Verstand und Herzen“ jedoch dies nicht für berechtigte Ziele der Arbeiterklasse, sondern die Gewerkschaften lediglich für Werkzeuge halten könnte, die Arbeiterklasse „zu bändigen und zu korrumpieren.[33] Es gäbe viele Fälle, in denen eine gewisse Diskrepanz zwischen Rolle und Individuum bestehe, die dann zum Beispiel – unterschiedlich abgestuft – durch Zweifel, Kompromiss, Interpretation oder Zynismus ausgeglichen werden könne.[34]
Anders sei dies beim Charakter: Dieser liefere ein kulturelles und moralisches Ideal; er sei für die Angehörigen einer Kultur allgemein oder für einige ihrer wichtigen Gruppen ein Gegenstand der Beobachtung. Der Anspruch sei, dass Rolle und Persönlichkeit verschmelzen, sozialer und psychologischer Typ zusammenfallen sollen. „Der Charakter rechtfertigt moralisch eine Art sozialer Existenz.“[35] Charaktere seien allgemein gesagt „die sozialen Rollen (…), die eine Kultur mit moralischen Definitionen ausstatten“.[36] Der Privatschuldirektor im England und der Professor im Deutschland des 19. Jahrhunderts seien beispielsweise nicht nur soziale Rollen gewesen, sondern der moralische Mittelpunkt für ein ganzes Bündel von Haltungen und Handlungen; sie hätten moralische und metaphysische Theorien und Ansprüche verkörpert und innerhalb ihrer Berufsgruppen öffentliche Diskussionen über die Bedeutung ihrer Rolle und Funktion geführt.[37]
Den Emotivismus der modernen Welt sieht MacIntyre wesentlich durch drei Charaktere verkörpert: den reichen Ästheten, den Manager und den Therapeuten. Sie würden die ihnen durch ihre Rolle gestellten Ziele als gegeben hinnehmen, als außerhalb ihres Horizonts liegend. „Weder der Manager noch der Therapeut beteiligen sich in ihrer Rolle als Manager beziehungsweise Therapeut an der moralischen Debatte. Sie werden von sich selbst und von denen, die sie praktisch mit den gleichen Augen sehen, als unanfechtbare Figuren betrachtet, die sich angeblich auf die Bereiche beschränken, in denen rationale Übereinstimmung möglich ist – das sind, selbstverständlich aus ihrer Sicht, der Bereich der Tatsachen, der Bereich der Mittel und der Bereich der meßbaren Wirksamkeit.“[38] (Wenngleich MacIntyre nachdrücklich einräumt, dass Charaktere in der Kultur natürlich auch Brennpunkte unterschiedlicher Auffassungen seien und er nicht der Meinung sei, dass „die moralischen Überzeugungen, die durch die Charaktere einer Teilkultur ausgedrückt und in ihnen verkörpert werden, allgemeine Zustimmung in dieser Kultur finden“[39].)
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Das Selbst erhalte seine soziale Bestimmung „oft und vielleicht immer“ durch den Konflikt.[40] Dies würde aber nicht bedeuten, „daß das Selbst nichts als die sozialen Rollen ist oder wird, die es ererbt. Das Selbst hat, im Gegensatz zu seinen Rollen, eine Geschichte und eine soziale Geschichte, und die des heutigen, emotivistischen Selbst (sei) nur begreifbar als Endergebnis einer langen und komplexen Reihe von Entwicklungen.“[41]
Wie sieht MacIntyre dieses emotivistische Selbst, das er auch das moderne Selbst nennt?
Zunächst könne es „nicht einfach oder bedingungslos mit irgendeiner moralischen Haltung oder Sichtweise gleichgesetzt werden (…), nur weil seine Urteile letztlich ohne Kriterium sind.“[42]. Vielmehr: Es „kennt keine Grenzen für das, worüber es urteilen könnte, denn derartige Grenzen könnten sich nur aus rationalen Bewertungskriterien herleiten, und dem emotivistischen Selbst fehlen (..) alle derartigen Kriterien. Alles kann von jedem Standpunkt aus, den das Selbst eingenommen hat, kritisiert werden, auch die Wahl des Standpunktes, den das Selbst einnimmt. (…) Moralisch Handelnder zu sein, bedeutet in dieser Sicht, sich von jeder Situation distanzieren zu können, in die man geraten ist, sowie von jeder Eigenschaft, die man eventuell besitzt, und in der Lage zu sein, ein Urteil darüber von einem rein universellen und abstrakten Standpunkt aus zu fällen, vollkommen losgelöst von aller sozialen Besonderheit. Jeder kann demnach ein moralisch Handelnder sein, denn moralisches Handeln muß im Selbst und nicht in sozialen Rollen oder Handlungen liegen. (…) Dieses demokratisierte Selbst, das keinen notwendigen sozialen Inhalt und keine notwendige soziale Identität hat, kann jede Rolle annehmen oder jeden Standpunkt beziehen, weil es für sich genommen nicht ist.“[43]
Eine weitere zentrale Eigenschaft des emotivistischen Selbst sei der „Verlust aller letzten Kriterien“[44]: „zu welchen Kriterien sich das emotivistische Selbst auch bekennen mag, sie müssen als Ausdruck von Haltungen, Vorlieben und einer Wahl beschrieben werden, die selbst nicht durch ein Kriterium, einen Grundsatz oder einen Wert bestimmt werden, denn sie liegen jeder Bindung an Kriterien, Grundsätze oder Werte zugrunde und gehen ihr voraus. Aber daraus folgt, daß das emotivistische Selbst für seine Umwandlungen von einem Zustand moralischer Verpflichtung in einen anderen keine rationale Geschichte haben kann. Innere Konflikte finden für das Selbst notwendigerweise auf der Basis der Gegenüberstellung einer zufälligen Willkürlichkeit mit einer anderen statt. Es ist ein Selbst ohne gegebene Kontinuität, außer der des Körpers, der es trägt, und der Erinnerung, die so gut es geht seine Vergangenheit sammelt.“[45] MacIntyre resümiert: „Das so begriffene Selbst, das einerseits völlig losgelöst von seinen sozialen Verkörperungen ist, und dem andererseits jede eigene, rationale Geschichte fehlt, hat vielleicht einen gewissen abstrakten und geisterhaften Charakter.“[46]
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MacIntyre geht der Frage nach, was charakteristisch für die historischen Vorgänger des emotivistischen, modernen Selbst war. Wie waren deren Identität und Telos beschaffen? Er beschreibt, wie in vielen prämodernen, traditionellen Gesellschaften die:der einzelne sich über ihre:seine Zugehörigkeit zu einer Reihe gesellschaftlicher Gruppen identifiziert habe und auch darüber von anderen identifiziert worden wäre (z.B. als Mitglied eines Haushalts, einer Familie, einer Dorfgemeinschaft, eines Stammes). Damit verbunden gewesen seien Eigenschaften, die Teil des Wesens seien und individuelle Bindungen und Pflichten definiert hätten. „Individuen erben einen bestimmten Raum innerhalb miteinander verknüpfter sozialer Beziehungen; fehlt ihnen dieser Raum, sind sie niemand oder bestenfalls Fremde oder Außenseiter.“[47] Dennoch habe dies nicht bedeutet, dass man eine statische, unverrückbare Position eingenommen habe, sondern: „Es bedeutet, daß man sich an einem bestimmten Punkt befindet; durch das Leben zu gehen bedeutet, fortzuschreiten auf ein erklärtes Ziel – oder bei diesem Fortschreiten zu scheitern. Ein abgeschlossenes und erfülltes Leben bedeutet deshalb die Vollendung, und der Tod ist der Punkt, an dem jemand als glücklich oder unglücklich beurteilt werden kann.“[48]
MacIntyre schlussfolgert: „Diese Vorstellung vom ganzen Menschenleben als Grundlage objektiver und sachlicher Bewertung – eine Bewertung, nach der die einzelnen Handlungen und Vorhaben eines bestimmten Individuums beurteilt werden können – hört an irgendeinem Punkt des Fortschritts (…) zu und in die Moderne auf, allgemein verfügbar zu sein.“[49] Sie würde meist nicht als Verlust wahrgenommen, sondern gefeiert als „das Erscheinen des Individuums, das einerseits befreit ist von den sozialen Fesseln jener einengenden Hierarchien, die die moderne Welt bei ihrer Geburt abstreifte, und andererseits von dem, was die Moderne für den Aberglauben der Teleologie hält.“[50] Er fährt fort, „daß das eigentlich moderne Selbst, das emotivistische Selbst, mit der Souveränität in seinem eigenen Reich seine traditionellen Grenzen verlor, die durch die soziale Identität und die Sichtweise des einem bestimmten Ziel zugeordneten menschlichen Lebens gezogen worden waren.“[51]
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Dennoch habe das emotivistische Selbst seine eigene soziale Definition: Seine Definition sei das Gegenstück zur Definition jener Charaktere, die die beherrschenden sozialen Rollen innehätten und vertreten würden. „Die Zweiteilung der gegenwärtigen sozialen Welt in einen Bereich des Organisatorischen, in dem Ziele als gegeben angenommen werden und einer rationalen Überprüfung nicht zugänglich sind, und einen Bereich des Persönlichen, in dem Urteil und Diskussion über Werte zentrale Punkte sind, ohne daß es rationale soziale Lösungen von Problemen geben kann, findet ihre innere Entsprechung im Verhältnis des individuellen Selbst zu den Rollen und den Charakteren des sozialen Lebens.“[52] Diese Zweiteilung sei ein wichtiger Hinweis auf die wesentlichen Eigenschaften moderner Gesellschaften.[53]
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MacIntyre beendet dieses Kapitel mit dem Hinweis, dass interne politische Debatten oft im Sinne eines vermeintlichen Gegensatzes zwischen Individualismus und Kollektivismus geführt würden: „Auf der einen Seite erscheinen die selbsternannten Vorkämpfer der individuellen Freiheit, auf der anderen die selbsternannten Vorkämpfer der Planung und Regulierung der Güter, die durch bürokratische Organisation verfügbar sind.“ Entscheidend sei die Einigkeit zwischen den miteinander streitenden Parteien, „daß uns nämlich nur zwei alternative Formen sozialen Lebens zur Verfügung stehen: eine, in der die freien und unwillkürlichen Wahlmöglichkeiten des einzelnen souverän sind, und eine, in der die Bürokratie so souverän ist, daß sie die freien und willkürlichen Wahlmöglichkeiten des einzelnen einschränken kann.“[54] Diese weitgehende kulturelle Übereinstimmung vorausgesetzt, überrasche es nicht, „daß sich Politik in den heutigen Gesellschaften zwischen einer Freiheit bewegt, die nichts als ein Mangel an Regelungen für individuelles Verhalten ist, und Formen einer kollektivistischen Überwachung, die nur dazu da ist, die Anarchie der Eigeninteressen zu begrenzen. (…) So ist die Gesellschaft, in der wir leben, eine Gesellschaft, in der Bürokratie und Individualismus sowohl Partner als auch Gegner sind. Und im kulturellen Klima dieses bürokratischen Individualismus ist das emotivistische Selbst ganz selbstverständlich zu Hause.“[55]
Soweit also MacIntyres Exkurs in die soziale Welt des Emotivismus. Vielleicht hat sich die:der ein:e oder andere Leser:in kritisch hinterfragt, wie sie: er zu einem moralischen Urteil kommt – sei es als Individuum in der privaten oder auch in ihrer:seiner Rolle in der gesellschaftlichen Welt (Beruf, Mitglied einer Organisation/Bürokratie) – und ggf. welche Erziehung/Bildung/Erfahrungen zu dieser Art der Urteilsfindung geführt haben. Folgen wir MacIntyre im nächsten Teil in das Zeitalter der Aufklärung und sehen wir, welche Maßstäbe für ein moralisches Urteil die Denker der „Moderne“ entwickelt haben.
© Birgit Heitker
[1] Vgl. z.B. https://www.deutschlandfunk.de/weimarer-republik-parallelen-zu-heute-sind-unuebersehbar-100.html; https://www.tagesspiegel.de/wissen/wiederholt-sich-weimar-die-krise-der-berliner-republik-im-historischen-vergleich-11328361.html; https://www.daserste.de/information/reportage-dokumentation/dokus/sendung/weimar-und-heute-102.html; jeweils abgerufen am 22.01.2025.
[2] So hörte ich beispielsweise einen Anrufer in einer Radiosendung sagen, dass er eine bestimmte Partei deshalb wähle, weil er es am wichtigsten finde, dass die Corona-Zeit kritisch aufgearbeitet werde.
[3] Paslack, Rainer: Berufsethik, in: Ach, Johann S./ Bayertz, Kurt/ Siep, Ludwig (Hrsg.): Grundkurs Ethik Band II: Anwendungen, Paderborn 2011, 205 f.: „Die Ausübung eines Berufs vollzieht sich stets in einem sozialen Kontext und weist daher immer auch normative Aspekte auf. Jeder Berufstätige hat es mit Kollegen, Vorgesetzen, einem Kunden oder Klienten, dem gegenüber er seine Arbeitsleistung erbringt, und vielen anderen Personen und Institutionen zu tun, die ihm ein Verhalten abverlangen, das ohne die Einhaltung gewisser „Spielregeln“ und Normen nicht zu leisten ist. Qualitätsstandards der „guten Praxis“ sind einzuhalten, Kundenerwartungen ist nachzukommen, aber auch Loyalität gegenüber Vorgesetzen ist zu leisten, Kollegialität zu üben und jeglicher Schaden gegenüber der Gesellschaft und Umwelt zu vermeiden. Es sind demnach immer zahlreiche berufspraktische Regeln, Werte und Normen u beachten, die von sozialen Erwartungen, rechtlichen Vorschriften und sonstigen ethischen Verpflichtungen definiert werden.“
In der Praxis hat sich – in Abgrenzung vom Begriff des „Berufs“ – die Herausbildung von Berufsethiken für sog. „Professionen“ herausgebildet. „Professionalisierte Berufe zeichnen sich durch hohes soziales Prestige und oft auch eine erhebliche Autonomie in der Regelung ihrer eigenen Belange bzw. eine beträchtliche Einflussnahme auf die Gestaltung der rechtlichen Rahmenbedingungen ihres jeweiligen Tätigkeitsfeldes aus.“ (Ebd., 208.)
[4] Wenngleich der Deutsche Richterbund damit wirbt, sich für eine Berufsethik zu „engagieren“ (vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Deutscher_Richterbund, abgerufen am 27.2.2025), verzichte er dennoch „bewusst darauf (…), Richtlinien oder einen „Kodex“ zu formulieren.“ (vgl. https://www.drb.de/positionen/verbandsthemen/ethik/, abgerufen am 27.02.2025).
[5] Schmidbauer, Wolfgang: Anschlag in München. Was hat er sich nur dabei gedacht?, in: Süddeutsche Zeitung v. 22.02.2022.
[6] MacIntyre, Verlust der Tugend, 42.
[7] Ebd.
[8] Ebd.
[9] Ebd.
[10] Ebd.
[11] Ebd.
[12] Gass, William H.: Fiction and the Figures of Life, 1971, zitiert nach MacIntyre, Verlust der Tugend, 42.
[13] MacIntyre bemerkt hierzu: „Es zeigt sich (…), daß the Portrait of a Lady einen zentralen Platz in einer langen Tradition moralischer Kritik hat, für die frühere Beispiele Diderots Le Neveu de Rameau (Rameaus Neffe) und Kierkegaards Enten-Eller (Entweder-Oder) sind.“ MacIntyre, Verlust der Tugend, 43.
„Das verbindende Inanspruchnehmen dieser Tradition sind die Bedingungen derer, die in der sozialen Welt nichts als einen Treffpunkt individueller Willen sehen, von denen jeder seine eigenen Haltungen und Vorliegen hat, und die diese Welt nur als Arena zur Befriedigung ihrer eigenen Wünsche verstehen, die die Wirklichkeit als Abfolge von Gelegenheiten zu ihrer Belustigung betrachten und für die Langeweile der schlimmste Feind ist.“ (Ebd.)
[14] Ebd.
[15] Ebd., 44.
[16] Ebd.
[17] Ebd.
[18] Ebd.
[19] Ebd., 45. MacIntyre zitiert hier Raymond Aron: „Max Weber“, in: Main Currents in Sociological Thought, 1967.
[20] Ebd., 45.
[21] Ebd.
[22] Ebd.
[23] Ebd.
[24] Ebd.
[25] Ebd.
[26] Ebd., 46.
[27] Ebd.
[28] Ebd.
[29] Ebd., 47. Als Beispiele für Charaktere führt er für die Kultur des Viktorianischen Englands den Privatschuldirektor, den Forscher und den Ingenieur; für das Wilhelminische Deutschland den preußischen Offizier, den Professor und den Sozialdemokraten an.
[30] Ebd.
[31] Ebd., 48.
[32] Ebd.
[33] Ebd., 48 f.
[34] Vgl. ebd., 49.
[35] Ebd.
[36] Ebd., 51.
[37] Vgl. ebd., 49.
[38] Ebd., 50. So gelte das Interesse des Managers „der Technik, der wirtschaftlichen Umwandlung von Rohstoffen in Endprodukte, von ungelernter in gelernter Arbeit, von Investitionen in Gewinn. Auch der Therapeut behandelt Ziele als gegeben, als außerhalb seines Horizonts liegend; auch sein Interesse gilt der Technik, der wirksamen Umwandlung neurotischer Symptome in gelenkte Energie, fehlangepaßter Individuen in richtig angepaßte.“
MacIntyre macht in diesem Zusammenhang noch darauf aufmerksam, dass „der Begriff des Therapeutischen in unserer Kultur eine Anwendung weit über das Gebiet der psychologischen Medizin hinaus erfahren hat“ und verweist hier auf Philip Rieff, der mit The Triumph of the Therapeutic (1966) und in To My Fellow Teachers (1975) „mit unglaublicher Einsicht festgehalten (habe), wie die Wahrheit als Wert abgelöst und durch psychologische Wirksamkeit ersetzt worden (sei). Die Sprache der Therapie ist viel zu erfolgreich in Bereiche wie die Erziehung und die Religion vorgedrungen. Die Theorien, die daran beteiligt sind und angeführt werden, um diese therapeutischen Formen zu rechtfertigen, sind selbstverständlich sehr unterschiedlich; aber die Form selbst ist von viel größerer sozialer Bedeutung als die Theorien, die ihren Hauptfiguren so wichtig sind.“ (Ebd.)
[39] Ebd., 51.
[40] Ebd.
[41] Ebd.
[42] Ebd.
[43] Ebd.
[44] Ebd., 53.
[45] Ebd.
[46] Ebd.
[47] Ebd., 54.
[48] Ebd.
[49] Ebd.
[50] Ebd., 55.
[51] Ebd.
[52] Ebd.
[53] Vgl. ebd.
[54] Ebd.
[55] Ebd., S. 55 f.
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