Generic selectors
Exact matches only
Search in title
Search in content
Post Type Selectors
Filter by Categories
InDebate
InDepth

Warum „Babo: Die Haftbefehl-Story“ in der Schule thematisiert werden sollte – ein Debattenbeitrag aus der Wissenschaft

Veröffentlicht am 13. November 2025

Von dem Autor:innenkollektiv Religionsbezogene Kontroversen

Meryem Aydogan, Stefan Breuer, Johanna Hanke, Henrike Herdramm, Jan-Hendrik Herbst, Carolin Hohmann, Tina Hölzel-Chokharash, Lisa Jacoby, David Novakovits, Sarah Rosenhauer, Max Tretter, Vito Alexander Vasser Santos Batista und Miguel Zulaica y Mugica

Abstract

In diesem Beitrag plädieren Fachwissenschaftler:innen, Pädagog:innen und Fachdidaktiker:innen aus Deutschland und Österreich dafür, Lehrkräfte dazu zu ermutigen und zu befähigen, die Netflix-Dokumentation über den Rapper Haftbefehl in Schule und Unterricht kritisch zu diskutieren und fachbezogen zu reflektieren. Aufgezeigt werden kontextabhängige Chancen und Herausforderungen, die von den Profis vor Ort abgewogen und verantwortet werden müssen. Die Position des Beitrags wird in fünf abschließenden Impulsen für die Debatte aus der Wissenschaft zusammengefasst.

Die Dokumentation „Babo: Die Haftbefehl-Story“ ist zahlenmäßig ein echter Erfolg: Auf Netflix haben sie bereits mehrere Millionen Menschen gesehen, sogar international liegt sie derzeit unter den Top-Produktionen des Streaming-Anbieters. Bei Spotify gibt es derzeit sechs Lieder von Haftbefehl, die in den Top 10 der Streamingcharts liegen.[1] Zählt man Reinhard Meys Lied „In meinem Garten“ dazu, das ebenfalls in den Top 10 auftaucht und durch die Dokumentation gehyped wird, sind es sogar sieben.[2]

Öffentliche Diskussion

Die Dokumentation wird in Öffentlichkeit und sozialen Medien intensiv diskutiert – häufig ziemlich kontrovers. Umstritten ist dabei, ob die Dokumentation zu unkritisch mit der Figur Haftbefehl bzw. der Person Aykut Anhan umgeht. Während manche Kommentator:innen meinen, dass die Dokumentation „alles andere als eine Heldengeschichte“ sei, eine „relevante Subkultur“ zeige „und somit Spiegelbild jugendlicher deutscher Lebensrealitäten außerhalb der privilegierten großstädtischen Matcha-Latte-Biomarkt-Bubble“ sei, sprechen andere von einer Glorifizierung, einem problematischen Voyeurismus, einem „Elendsporno“ und der Ausbeutung eines migrantischen Künstlers. Problematisiert wird darüber hinaus, dass der Film alte Rock’n’Roll-Mythen und Gangster-Stereotype wiederhole und als „Scripted Doku“ aufdringliche Inszenierungen biete, die den kulturindustriellen Mustern der Musikbranche und Streamingdienstanbieter folgen.

Unabhängig davon, ob man diesen kritischen Voten einer an Profitinteressen orientierten Inszenierung zustimmt, ist von Juan Moreno, einem der Produzenten, klargestellt worden, dass die Dokumentation selbst auch als das Ergebnis journalistischer Abwägungsprozesse und professionsethischer Entscheidungen anzusehen ist, insofern nicht alle gefilmten Personen (bspw. Aykut Anhans Mutter) und nicht alle gedrehten Szenen in die Dokumentation aufgenommen wurden – auch wenn diese einen besonderen Effekt versprachen.

I Metadebatte: Die Dokumentation im Unterricht thematisieren?

Angesichts des (inter-)nationalen Hypes um die Dokumentation haben Vertreter:innen des Stadtschüler:innenrats in Offenbach (bspw. Luca Dobrita, Cengizhan Nas und Arig Ali) gefordert, Haftbefehls Dokumentation im Unterricht zu besprechen. Diese Forderung wurde nicht nur in diversen Medien aufgegriffen, sie hat eine lebhafte und hochrelevante Debatte angestoßen und zieht mittlerweile weite Bahnen. So fordert der Berliner Schülersprecher Orçun Ilter allgemein mehr Deutschrap im Unterricht zu thematisieren. Lehrkräfte wie etwa Dennys Jochum aus Offenbach oder in sozialen Medien engagierte Lehrkräfte wie Bob Blume, Frau Waibel oder Nicolas Schmelzer unterstützen diese Forderung, womit sie auch an Positionen anknüpfen, die generell auf einen mangelnden Einbezug migrantischer Perspektiven im Schulunterricht einer superdiversen Gesellschaft hinweisen. Allen Befürwortungen liegen dabei argumentativ zugrunde, dass die Dokumentation im Unterricht kritisch reflektiert werden soll. Genauer bedeutet das:

1. Die kontroverse Debatte um die Dokumentation rezipieren

Ein wichtiges Prinzip schulischer Bildung in liberalen Demokratien ist das Kontroversitätsprinzip. Dieses findet sich etwa im politikdidaktischen Beutelsbacher Konsens, im philosophiedidaktischen Dresdener Konsens oder im religionspädagogischen Schwerter Konsent. Das Prinzip besagt, dass öffentliche Kontroversen im Unterricht auch als solche behandelt werden sollten, um Schüler:innen eine eigenständige Urteilsbildung zu ermöglichen.

2. Die Dokumentation und Haftbefehls Musik kontextualisieren

Kontroversen müssen im Unterricht pädagogisch gefiltert werden, sie können nicht eins zu eins abgebildet werden, weil der Unterricht pädagogischen Eigenlogiken folgt. Die Dokumentation sollte nicht affirmativ, sondern kritisch reflektiert und eingeordnet werden – so die einhellige Meinung der Befürworter:innen. Niemandem geht es darum, Haftbefehl bzw. Aykut Anhan als Idol zu glorifizieren. Besonders hervorgehoben wird zu Recht (!), dass Antisemitismus und Frauenfeindlichkeit sowie Verherrlichung von Gewalt und Drogenkonsum in manchen von Haftbefehls Texten, aber auch in Aykut Anhans in der Dokumentation sichtbar werdender alltäglicher Lebensführung deutlich problematisiert werden müssen. Ein entsprechendes didaktisches Einordnen hieße auch zu zeigen, wie sich diese – etwa im Licht der Menschenrechte – problematische Praxis im Kontext größerer sozialer Probleme nachvollziehen lässt, ohne die damit korrespondierenden Einstellungsmuster zu rechtfertigen. Einordnen hieße auch zu zeigen, dass Sexismus und Antisemitismus ein Problem der deutschen Rapszene (und der deutschen Gesellschaft insgesamt) sind – wie nicht nur Szeneinnenansichten, sondern auch fachdidaktische Studien nachweisen.[3]

3. Die Debatte in die jeweiligen Fachlogiken übersetzen und damit differenziert aufarbeiten

Hierauf hebt besonders die Positionierung der Offenbacher Vertreter:innen des Stadtschüler:innenrats ab. Sie fordern, „dass Haftbefehls Texte und Sprache als Lehrmaterial in Fächern wie Musik, Deutsch und Politik dienen könnten. So zum Beispiel als Analyse moderner Rhythmik, zur Untersuchung von Dialektik, Sprachvariationen, Mehrsprachigkeit und gesellschaftlicher Ausdrucksform oder als Einstieg in Themen wie soziale Ungerechtigkeit, Migration, Aufstiegschancen und Integration.“

II Gute Argumente

Vor dem Hintergrund dieser Überlegungen führen die Befürworter:innen ein pädagogisch starkes und historisch wirkmächtiges Argument an, um die Thematisierung der Dokumentation im Unterricht zu begründen: Der Bezug auf ein solches aktuell diskutiertes und kontroverses Thema wie die Haftbefehl-Dokumentation ermöglicht einen echten Lebensweltbezug und kann dazu beitragen, die Motivation der Schüler:innen zu steigern. „Wie erreichst du die Kids, die dabei sind, abzurutschen?“, fragt der Offenbacher Schülersprecher Luca Dobrita und antwortet: „Indem du sie damit konfrontierst, was sie eh hören und fühlen“. Der Unterricht würde dann als alltagsnah und Lehrkräfte nicht nur als „Kirchgänger“ und „Aliens“ wahrgenommen werden, sodass man sich zu ihnen und dem Unterrichtsgegenstand in Beziehung setzen („relaten“) könnte. Zudem wäre dann die unterrichtliche Norm nicht die (scheinbar!) heile und bürgerliche (Familien-)Welt, der viele Lehrkräfte und einige Schüler:innen entstammen,[4] sondern Ausgangspunkt wären postmigrantische Realitäten, die quer zu üblichen Differenzkonstruktionen liegen und zu denen viele Schüler:innen in Bezug stehen. So würde die Dokumentation als Lehrmaterial auch Lebensrealitäten von Schüler:innen in den Fokus rücken, die sonst oft unterrepräsentiert sind, wie beispielsweise bildungsbenachteiligte Schüler:innen von Haupt- oder Sekundarschulen. Besonders stark wird dieses Argument im Frankfurter/Offenbacher Umfeld: Hier sprechen Schüler:innen wie Dobrita davon, dass Haftbefehls Songtexte „viele junge Menschen […] auswendig können“ und sie Bestandteil ihrer „kulturellen DNA“ seien.

Relevante Unterrichtsthemen (in) der Dokumentation

Wie die Schüler:innen andeuten – sie sprechen etwa von den Themen „Identität, Zugehörigkeit und Bildungsgerechtigkeit“ –, bietet die Dokumentation vielfältige inhaltliche Bezüge zu schulischen Curricula. Über die in der Debatte erwähnten Fächer – bes. Politik, Deutsch und Musik – hinaus ließe sich die (Meta-)Debatte über die Dokumentation bspw. sehr gut im Religionsunterricht behandeln. Theologisch relevante Themen sind etwa: Freundschaft und Solidarität, Drogen und Geschlechterrollen, familiäre Bindungen, Care-Arbeit, Verletzlichkeit[5] und emotionale Überwältigung, biografische Verstrickungen, transgenerationale Traumata und psychische Zerrissenheit (vgl. das Lied „Mann im Spiegel“), Gewalt, Geld und Erfolg, menschliche Abgründe, Tod und Destruktivität, gesellschaftliche Ungerechtigkeit[6] und Dynamiken von Menschenfeindlichkeit, Kulturindustrie im Musik- und Showbusiness, Armut, Popkultur, migrantische Erfahrungswelten und Authentizität[7], Sinnfragen, Sehnsucht und – augustinisch – ein „unruhiges Herz“, das weder im materiellen Erfolg noch im Drogenkonsum Ruhe und Zufriedenheit findet. Das sind Themen, die im Religionsunterricht bereits seit Jahrzehnten verhandelt werden und teilweise fest in Lehrplänen verankert sind. Darüber hinaus bringen (insbesondere bildungsbenachteiligte) Schüler:innen häufig ohnehin existentielle (religiöse) Fragen mit in den Unterricht, die über diesen lebensweltnahen Zugang biographisch und multiperspektivisch erschlossen werden könnten.

Beispiele für didaktische Inszenierungsmöglichkeiten

Konkret fallen uns darüber hinaus diverse didaktische Inszenierungsmöglichkeiten ein. Beispielsweise ließe sich anhand der Dokumentation kritisch darüber diskutieren, inwiefern die Hip-Hop-Kultur ihrem Solidaritätsprinzip von „Each one teach one“ wirklich gerecht wird und Rapper:innen wie Haftbefehl dazu beitragen, den Ausgeschlossenen Hoffnung und eine Stimme zu geben[8] – wie es in der Dokumentation heißt oder auch in der an Aykut Anhans Biographie angelehnten Serie „Skylines“ angedeutet wird. Beispielsweise könnte über legitime Formen der Solidarität sowie Autonomievorstellungen nachgedacht werden, wenn über die Aktion vom kleinen Bruder Capo (Cem Anhan) debattiert wird, der Haftbefehl gegen dessen Willen mit einer List in eine Entzugsklinik eingewiesen hat. Dazu muss Capo nicht gleich „Vorträge an Schulen halten“ – auch wenn das ebenfalls keine verkehrte Idee wäre. Daneben läge sicherlich ein großes Potenzial der Dokumentation in einer angemessenen Medienbildung, weil gerade viele Schüler:innen die Dokumentation aufgrund ihrer schonungslosen Erzählung für „authentisch“ halten. Dabei ließen sich die erwähnten Parallelen zu Rock’n’Roll-Mythen und Gangster-Stereotype aufdecken und als kulturhistorisch wirkmächtige Inszenierungsmuster untersuchen sowie politisch einbetten: Gangster-Narrative finden sich etwa auch beim „Islamischen Staat“ oder – auf andere Weise, wie es der Kulturkritiker Georg Seeßlen herausarbeitet – bei Donald Trump. Es wäre mit den Schüler:innen zu besprechen, ob Haftbefehl genau diese „hegemoniale Männlichkeit“[9] reproduziert oder wie er sich zu dieser relationiert.

III Reaktionen aus der Politik

Die öffentlichen Äußerungen des NRW-Schulministeriums oder aus dem österreichischen Bildungsministerium, in Person vom Minister Christoph Wiederkehr (NEOS), sind vor dem Hintergrund dieser Argumente sehr nachvollziehbar und überlegt gewählt. Beide Stellungnahmen heben auf zweierlei ab: Erstens unterstreichen sie die Funktion von Curricula: „In unseren Lehrplänen ist nicht konkret festgeschrieben, welche Künstlerinnen und Künstler durchgenommen werden, sondern sie geben einen Rahmen“. Dieser Punkt ist wichtig, weil er den Lehrkräften entsprechende Frei- und Ermessensspielräume zuspricht, die es für eine pädagogisch und didaktisch hochwertige Unterrichtsgestaltung benötigt. Damit wird aber eben auch deutlich betont, dass Schulen einen pädagogischen „Freiraum [haben], Dokus und Texte für den Unterricht auszuwählen, wenn sie damit Kompetenzen vermitteln, die laut Kompetenzlehrplan erworben werden sollen“. Grundsätzlich ist es auch aus unserer Sicht sinnvoll, die Dokumentation „nicht als Pflicht im Lehrplan“ aufzunehmen, sondern Lehrkräfte dazu zu ermutigen, sie kontextabhängig und speziell mit einem wertschätzenden Blick für die Superdiversität der Schüler:innenschaft zu thematisieren.

Pädagogischer Gestaltungsraum und Bezüge zur Lebenswirklichkeit

Zweitens ermutigen die Stellungnahmen Lehrkräfte explizit, die Dokumentation zu behandeln – bspw. indem sie hervorheben, dass „Wissen über Drogenmissbrauch […] Teil des Kompetenzlehrplans [ist]. In der Theorie können also auch die Texte von Haftbefehl verwendet werden“. Allerdings wäre es hierbei von Vorteil, wie auch Lehrkräfteverbände hervorheben, wenn Curricula in manchen Fächern größere Spielräume bieten könnten. Besonders positiv hervorzuheben sind die Ermutigungen, die österreichische (Bildungs-)Politiker:innen artikulieren. Minister Wiederkehr beispielsweise formuliert ziemlich konkret seine Offenheit: Die Dokumentation „ist ein Beispiel, anhand dessen Jugendkultur im Unterricht behandelt und auch kritisch diskutiert werden kann“ und es sei sinnvoll, wenn „Schule die Lebensrealität von Jugendlichen adressiert, aber nicht unkritisch übernimmt, sondern auch reflektiert […]. Das im Unterricht zu behandeln ist sinnvoll, denn die Rapkultur prägt die Jugend und man kann sie nur, indem man diese Themen aufgreift, auch reflektieren.“ Aus pädagogischer und fachdidaktischer Sicht sind diese Stellungnahmen bemerkenswert, und aus den oben genannten Gründen zur Kontroversität auch begrüßenswert.

IV Zur Reaktion des hessischen Bildungsministeriums

Vor diesem Hintergrund zeigt sich, dass die Stellungnahme des hessischen Bildungsministeriums deutlich hinter ihren Möglichkeiten zurückbleibt und aus pädagogischer wie fachdidaktischer Sicht zu kritisieren ist. Das Ministerium lehnt die – wie gesagt durchaus sinnvolle – Position, die Dokumentation nicht in den Lehrplan aufzunehmen, mit einer unseres Erachtens unangemessenen Argumentation ab: „Weder die Texte des Rappers noch sein kontroverses Auftreten in der Öffentlichkeit stehen im Einklang mit dem Bildungs- und Erziehungsauftrag, den die Schulen erfüllen“; Haftbefehl sei für eine Vorbildfunktion „keinesfalls geeignet“, da er „politisch fragwürdige Positionen“ vertrete.

Probleme der Argumentation des hessischen Bildungsministeriums

Diese Argumentation ist aus mindestens zwei Gründen problematisch: Erstens wird eine differenzierte Debatte substanziell unterlaufen, in der sich nahezu alle Beteiligten einig sind, dass Haftbefehl auch problematische Positionen vertritt. Ausgeklammert werden damit zentrale pädagogische Unterscheidungen – etwa die, ob ein Thema im Unterricht behandelt und mit welcher pädagogischen Intention es aufgegriffen wird[10] – und die pädagogische Erkenntnis, dass reflexive Lernprozesse nur über die Distanzierung des Gegenstands realisierbar sind.[11] Eine Argumentation wie die des hessischen Bildungsministeriums hätte radikale Folgen für schulische Bildung; denn „[p]rüfte man klassische Literatur nach heutigen Maßstäben, fiele auch Goethe durch“. Darüber hinaus wäre der gesamte Unterricht von radikalen inhaltlichen Kürzungen betroffen – eine Tendenz, die sich derzeit in den USA zeigt, in denen kontroverse Themen als „spaltende Ideologien“ abgekanzelt und aus dem Unterricht ausgeschlossen werden. Sie basiert auf der Annahme, dass die Unterrichtsgegenstände an einer sittlichen Qualität orientiert werden sollten: Über die Nachahmung eines personalen Modells[12] sollen erstrebenswerte Haltungen und Einstellungen eingeübt werden (Modell der Werteübertragung). Neben der Frage, nach welchen Kriterien und auf welchem normativen Fundament entschieden werden sollte, was als vorbildlich gelten kann und was nicht, entspricht dieses Auswahlkriterium weder der Wissenschaftsorientierung moderner Schulen noch ihrer Fachlichkeit. Verkannt wird die Komplexität demokratischer und auf Autonomie ausgerichteter Lehr- und Lernprozesse. Diese Position läuft selbst Gefahr, mit dem Indoktrinationsverbot zu brechen. Und eine kommunikative Ermutigung der Lehrkräfte bleibt aus – mit womöglich dramatischen Folgen für Lehrkräfte.[13]

Sollten auch Goethe, „Wir Kinder vom Bahnhof Zoo“ oder Bibeltexte nicht besprochen werden?

Folgte man der Argumentation konsequent, müssten neben Goethe klassische Schulfilme wie „Wir Kinder vom Bahnhof Zoo“, vielzählige Bibeltexte – der hessische „Bildungsauftrag beruht auf christlicher und humanistischer Tradition“ (HSchG § 2) – und Materialien aus gebräuchlichen Religionsbüchern ausgeklammert werden, die von Diözesen zugelassen wurden. Nur ein Beispiel hierfür: Songtexte des deutschen Rappers Marteria, der auch in der Dokumentation selbst zu Wort kommt und mehrfach an prominenter Stelle zu sehen ist, finden sich in vielen etablierten Religionsbüchern und Materialien für den Religionsunterricht (z.B. seine Lieder „OMG“ und „Welt der Wunder“).[14] Diese Aufnahme geschieht, obwohl Marteria selbst und vor allem sein Alter Ego Marsimoto – versteckt etwa auch in „Welt der Wunder“ – Drogenkonsum glorifizieren. Im Lied „Ich rolle mit meim Besten“, das Marteria zusammen mit Haftbefehl aufgenommen hat, heißt es im Refrain lapidar wiederholend: „Ich bin high und ich rolle tief“. Diese Materialien wären alle einzustampfen. Dementsprechend fördert eine solche argumentative Kommunikation – im deutlichen Gegensatz zu den erwähnten Fallbeispielen aus NRW und Österreich – das klare Missverständnis, dass Lehrkräfte die Dokumentation nicht im Unterricht behandeln dürften/sollten. Denn weil das hessische Bildungsministerium nicht deutlich zwischen der Aufnahme ins Curriculum und der unterrichtlichen Behandlung durch Lehrkräfte unterscheidet, wird die Stellungnahme medial auch als („klare“) „Absage“ gegenüber dem Offenbacher Stadtschüler:innenrat rezipiert.

Die Initiative der Schüler:innen als Teil demokratischer (Schul-)Kultur würdigen

Zweitens stellt die Stellungnahme einen performativen Widerspruch dar. Inhaltlich bezieht sie sich auf den im Hessischen Schulgesetz (HSchG § 2) verankerten zentralen Bildungs- und Erziehungsauftrag der Schule. Dort heißt es u. a., dass Schüler:innen lernen sollen, „staatsbürgerliche Verantwortung zu übernehmen [….]“ und „mit anderen zur demokratischen Gestaltung des Staates […] beizutragen“ (HSchG § 2). Wenn nun Schüler:innen wie im Stadtschüler:innenrat sich öffentlich dafür einsetzen, bestimmte Inhalte in ihrem Schulunterricht zu thematisieren, dann könnte gerade dies als Einlösen dieses Auftrags gedeutet werden. Ihre Positionierung und ihr Engagement dokumentieren demokratische Selbstvergewisserungsprozesse, in denen gerade die Fragen nach Werten, Normen, gesellschaftlichen Schlüsselproblemen und Verständigungsmöglichkeiten verhandelt werden. Sie bringen sich in eine Debatte ein, die die Funktion von Schule, die Kommunikationsgrundlagen der Gesellschaft zu sichern, in den Blick geraten lässt. Dies wird durch die Stellungnahme substanziell unterlaufen und konterkariert. Problematisch ist dies auch deshalb, weil hinter der Kritik des Ministeriums wichtige pädagogische Herausforderungen liegen, die so dethematisiert werden.

V Berechtigte Probleme werden dethematisiert

Durch die problematische Begründungs- und Kommunikationsstrategie werden wichtige Anliegen, die sich hinter der Kritik des hessischen Ministeriums vermuten lassen, dethematisiert. Folgende – unvollständige Liste[15] an – Fragen wären pädagogisch und didaktisch zu klären, um gewillte Lehrkräfte dabei zu unterstützen, die Dokumentation angemessen im Unterricht zu behandeln:

1. Reflexion der Ambivalenzen und der Vielschichtigkeit von Biographien in postmigrantischen Gesellschaften

Wie kann eine kritische Einordnung im Bewusstsein der Ambivalenz der Biographie und ohne Reproduktion von Stereotypen wirklich gelingen und lässt sich ihr Erfolg auch empirisch belegen? Besteht nicht doch die Gefahr, dass die schulische Behandlung der Dokumentation normativ problematische Positionen – wie Gewalt- und Drogenglorifizierung, Antisemitismus (z. B. verwendet Haftbefehl in Liedern Begriffe wie „Rothschild-Theorie“) oder ein problematisches „Frauenbild“ – allein durch eine Behandlung nobilitiert? Und besteht nicht das Risiko, dass eine exklusiv kritische Thematisierung der Dokumentation ebenfalls Stereotype und Defizitkonstruktionen reproduziert, weil sie die ambivalente Vielschichtigkeit einer migrantischen Biografie und das Schaffen eines Rapkünstlers auf die negativen Seiten reduziert? Es sind keine trivialen Fragen – Fragen, die sich nur kontextabhängig im Hinblick auf die Betroffenheiten und Situiertheiten der Schüler:innen von den Lehrkräften vor Ort beantworten lassen. Damit das gelingt, ist es mindestens hilfreich, wenn den Lehrkräften die Eigenlogik der betreffenden menschenfeindlichen Motive deutlich ist.

Dies lässt sich am Beispiel des Sexismus veranschaulichen: Medial diskutiert wird die Rolle von Nina Anhan, der Ehefrau von Haftbefehl bzw. Aykut Anhan. Ist eine Frau stark, weil sie bleibt? Ist eine Frau stark, weil sie geht? Einerseits wird die Vorbildfunktion von Nina Anhan hervorgehoben, da sie nie aufgegeben habe, ihrem Mann gegenüber loyal bleibe und für die Familie kämpfe. Andererseits wird diskutiert, inwiefern Leid, Aufopferung und Co-Abhängigkeit damit romantisiert werde, denn Stärke bestehe auch darin, nicht um jeden Preis zu bleiben und Grenzen zu setzen. „Den Aykut liebe ich, den Haftbefehl nicht“, fasst Nina Anhan in der Dokumentation selbst zusammen. Auch mit Blick auf gesellschaftliche Retraditionalisierungstendenzen (z. B. sog. Tradwives) wäre eine kritische Auseinandersetzung mit der Kontroverse um die Rolle von Nina Anhan angebracht.[16] Und weitet man den Blick auf die Entwicklung der „Rap-Industrie“, bietet die Dokumentation einen Anlass, andere, weibliche Rap-Stimmen mit aufzunehmen, um auch ihre Themen und Perspektiven im schulischen Kontext zu integrieren, da viele Songs die Problematiken der „Rap-Szene“ (u. a. das Frauenbild, Diskriminierungsmechanismen, Macht, Hierarchie etc.) behandeln und kritisieren.

2. Lehrkräften themenbezogene Entscheidungs- und Gestaltungsräume geben

Welche Themen sollten im Unterricht behandelt werden – und welche Themen (u.a. aus Zeitgründen) nicht? Dem hessischen Ministerium ist zuzustimmen, dass nicht alle Inhalte behandelt werden können – etwa, weil gilt: „Wir haben am Ende das Zentralabitur und konkrete Vorgaben, was wir bis dahin alles schaffen müssen.“ Aber entsprechende Abwägungs- und Priorisierungsfragen sind hochkomplex und kontextabhängig: Was sind denn konsensfähige Kriterien für die Auswahl eines Bildungsgegenstands?[17] Möglichst viele dieser Fragen sollten den Profis vor Ort überlassen werden. Beispielsweise setzt das häufig erwähnte Argument von Motivation und Lebensweltnähe voraus, dass dies für alle Schüler:innen gilt. Auch wenn es einige Hinweise darauf gibt – z.B. hier oder hier –, dass viele Schüler:innen, Lehrkräfte und sogar Eltern eine Behandlung der Dokumentation im Unterricht wirklich gutheißen, gibt es bisher keine repräsentativen Umfragen dazu. Von solchen Umfragen kann ein konkreter Kontext natürlich immer abweichen. Für bestimmte Kontexte kann das Ministerium durchaus zurecht behaupten, dass andere Medien es adäquater ermöglichen würden – erwähnt wird etwa Rafik Schamis Text „Sami und der Wunsch nach Freiheit“ –, „Themen wie interkulturelle Kompetenz und Verständigung“ oder „Rap“ im Unterricht zu behandeln. Daher wären eher explorativ-niedrigschwellige Erhebungen durch die Lehrkräfte vor Ort selbst sinnvoll, um die Resonanz in der jeweiligen Lerngruppe zu überprüfen. Charmant sein könnte es etwa, die Metadebatte – ob die Dokumentation im Unterricht behandelt werden sollte – selbst im Unterricht zu thematisieren.

3. Die Risiken beim Unterrichten von Kontroversen verantworten

Das Behandeln von kontroversen Themen und „sensitive issues“ ist mit spezifischen Herausforderungen verbunden. Es kann Vorurteile verstärken, die Polarisierung in der Klasse fördern, Unterricht politisieren und Konflikte mit dem schulischen Umfeld hervorrufen.[18] Und es kann Schüler:innen überfordern und überwältigen, sich mit einer Lebensrealität zu beschäftigen, die „erdrückend“ ist, auch wenn andere diese Lebensrealitäten aus eigener Anschauung kennen. Diese Probleme sind nicht zu bagatellisieren und es bedarf hochwertiger pädagogischer und didaktischer Strategien im Umgang damit – z.B. den Ansatz des „contained risk-taking“, der kontrollierten Risikoübernahme.[19]

4. Triggerwarnungen? Grenzen pädagogischer und unterrichtlicher Arbeit ernstnehmen

Die Dokumentation beginnt mit einer Triggerwarnung: „Der folgende Film thematisiert Drogenmissbrauch, psychische Probleme und Suizid, was für manche Zuschauer verstörend wirken kann. Wenn du oder jemand, den du kennst, Probleme hat, findest du Hilfe unter www.wannatalkaboutit.com“. Inwiefern ist eine Art Triggerwarnung auch für den Unterricht bedeutsam oder gar notwendig? Lehrkräfte sollten darauf vorbereitet sein – und hier sind anlassbezogen Schulsozialarbeiter:innen oder -psycholog:innen ins Boot zu holen –, dass die Auseinandersetzung mit den Erfahrungen, die in der Dokumentation teils sehr explizit thematisiert werden (z.B. Suizid des Vaters) und die Jugendliche aus ihrer eigenen Lebenswelt möglicherweise kennen (z.B. Alkohol-/Drogensucht), Schüler:innen triggern können. Erfahrungen, die im schulischen Setting sonst, auch aus Selbstschutz (!), unterdrückt werden, könnten „hochkommen“. Unterricht kann und darf keine psychologische Therapie ersetzen, denn: „Weder verfügen Lehrkräfte über derartige (psycho)therapeutische Kompetenzen noch gewährleistet der Klassenraum ein solches Maß an Geschütztheit und Vertraulichkeit, dass traumatische Ungerechtigkeitserfahrungen auf verantwortbare Weise kommuniziert und bearbeitet werden könnten.“[20] Falls die Dokumentation (oder Ausschnitte) im Oberstufenunterricht geschaut werden sollten, wäre fachdidaktisch eine lerngruppenorientierte Vor- und Nachbereitung dringend geboten, die auch die Entscheidung für das Auslassen bestimmter Themen und Szenen beinhalten kann.

An dieser Stelle ließen sich viele weitere herausfordernde Fragen nennen, für die wir in unseren Fächern Bearbeitungsmöglichkeiten suchen. Darauf können wir an dieser Stelle aus Platzgründen nicht weiter eingehen. Zum Abschluss wollen wir fünf Impulse für die Debatte setzen und damit unsere Position zusammenfassen.

Fünf abschließende Impulse

  1. Der Offenbacher Stadtschüler:innenrat hat mit seiner Stellungnahme eine komplexe und hochinteressante Debatte losgetreten – und dafür gute Argumente vorgebracht. Solche Initiativen, die auch pädagogisch und didaktisch wertvoll sind, sollten von Politik und Schulen gewürdigt und aufgegriffen werden – hier besteht ein großes Potenzial, wirkliche demokratische Mitbestimmung, Gestaltung und Selbstwirksamkeitserfahrung zu eröffnen.
  2. Die Bildungsministerien in NRW und vor allem Österreich zeigen exemplarisch, wie eine differenzierte Kommunikation aus der Politik aussehen kann, die Lehrkräfte ermutigt, kontroverse Themen aufzugreifen. Es ginge darum, die Ermessensspielräume von Lehrkräften zu stärken und sie in der Lehrkräfteausbildung und in Weiterbildungen dazu zu befähigen, diese Ermessensspielräume professionell – also auf der Basis von Fachwissen und Professionsethos – zu gestalten.
  3. Die Kommunikationsstrategie des hessischen Bildungsministeriums ist dagegen aus pädagogischer, fachdidaktischer wie auch gesellschaftspolitischer Sicht auch deshalb zu problematisieren, weil die dahinter vermuteten wichtigen Anliegen – die Herausforderungen, die Dokumentation konstruktiv im Unterricht zu behandeln – dadurch dethematisiert werden.
  4. Den Impuls des hessischen Bildungsministeriums, den schulischen Erziehungs- und Bildungsauftrag als Ausgangspunkt für die Diskussion zu verwenden, halten wir für richtig. Unseres Erachtens sollte in Zukunft stärker die Frage verhandelt werden, inwiefern eine Auseinandersetzung mit der Dokumentation wirklich Ziele wie eine Entfaltung der Persönlichkeit in Gemeinschaft, eine Anerkennung der Wertordnung des Grundgesetzes oder eine digitale Bildung auf der Höhe der Zeit (HSchG § 2) fördern kann.
  5. Noch relevanter erscheint uns die Frage nach dem „Wie“: Viele Lehrkräfte haben nicht nur Sorge davor, kontroverse Themen zu diskutieren; ihnen fehlt auch die Zeit, sich auf „brandaktuelle Themen“ angemessen vorzubereiten. Daher sollten institutionelle Player wie Ministerien, fachdidaktische Verbände und Kirchen dafür sorgen, dass hochwertige Unterrichtsmaterialien produziert und entsprechende Fort- und Weiterbildungen angeboten werden.

© Autor:innenkollektiv Religionsbezogene Kontroversen


[1] Für Links auf Webseiten Dritter und deren Inhalte übernehmen Philosophie InDebate und das Autor:innenkollektiv Religionsbezogene Kontroversen keine Haftung. Wir machen uns deren Inhalte nicht zu eigen und verweisen lediglich auf ihren Stand zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieses Beitrags.
[2] Berücksichtigt werden konnte der Debattenstand bis zum 10.11.2025. Mittlerweile haben sich bspw. auch im Saarland wichtige Akteur:innen wie Schüler:innen und Lehrer:innen zur Debatte geäußert. Das Schulministerium hat in Person von Christine Streichert-Clivot eine ermutigende Stellungnahme veröffentlicht, die deutlich hervorhebt, dass es die „Leitlinie des Mitbestimmungsrechts“ gebe und Schüler:innen „solche Themen an ihrer Schule einbringen“ können, damit nicht immer nur Themen „aus der Erwachsenenperspektive in Schule hineingetragen werden“ – Themen, die „die ältere Generation als wichtig empfindet“. Damit greift die Schulministerin eine Herausforderung auf, die pädagogisch seit Dekaden immer wieder diskutiert wird.
Als Hinweis vorab: Die didaktische Frage, wie genau die Dokumentation im Unterricht behandelt werden kann und sollte, wird in diesem Artikel kaum behandelt. Auch wenn wir das Besprechen der Dokumentation im Unterricht befürworten, plädieren wir damit gleichzeitig nicht prinzipiell für die Integration (von Ausschnitten aus) der Dokumentation (FSK 16) in den (Oberstufen-)Unterricht. Zu beachten wären dementsprechend entwicklungspsychologische Voraussetzungen, so sollten die Schüler:innen bereits relevante Urteilskompetenzen mitbringen.
[3] Vgl. z. B. Grimm, M. & Baier, J. (2023). Jugendkultureller Antisemitismus. Warum Jugendliche für antisemitische Ressentiments im Gangsta-Rap empfänglich sind. Frankfurt am Main: Wochenschau. Şahin, R. (2019). Yalla, Feminismus! Stuttgart: Tropen. Salomo, B. (2019). Ben Salomo bedeutet Sohn des Friedens. Die Autobiographie. München: Europa Verlag.
[4] Vgl. z.B. die pädagogische und fachdidaktische Forschung zu sozialer Ungleichheit, bildungsbürgerlichen Habitus und restringierten Codes in der Schule, etwa: Grümme, B. & Schlag, T. (Hrsg.) (2016). Gerechter Religionsunterricht. Religionspädagogische, pädagogische und sozialethische Orientierungen. Stuttgart: Kohlhammer.
[5] Zum Ausdruck kommt diese Abwägung auch an differenten Stellen der Dokumentation. Die Verflechtung der biographischen Erfahrungen der Kindheit mit der Gegenwart verweisen ebenso wie die Bilder der Deprivation auf eine Verletzlichkeit, die mit den typischen Narrativen des Erfolgs, der Bro-Kultur und der Maskulinität bricht. Es gibt entsprechend viele Szenen, die auch den idealisierenden Anteilen wie der Kommentierung des Künstlers durch andere Kolleg:innen entgegenstehen und ein komplexes Bild mit Widersprüchen, Kanten und Irritationen entfalten.
[6] Vgl. Tretter, M. (2025). “No Church in the Wild”? Hip Hop and Inductive Theology. Open Theology, 11(1). https://doi.org/10.1515/opth-2025-0064.
[7] Vgl. Tretter, M. (2020). Das weiße Album, Haftbefehl, Audio CD, Berlin: Urban and Universal. Global Hip Hop Studies, 1(2), 325-329. https://doi.org/10.1386/ghhs_00026_5.
[8] Vgl. Tretter, M. (2025). Hip-Hop bei Black Lives Matter-Protesten. Mohr Siebeck.
[9] Vgl. die Arbeiten von Martin Seeliger, z.B. Dietrich, M. & Seeliger, M. (Hrsg.) (2017). Deutscher Gangsta-Rap II. Popkultur als Kampf um Anerkennung und Integration. Bielefeld: transcript.
[10] Vgl. Hand, M. (2008). What should we teach as controversial? A defense of the epistemic criterion. Educational Theory, 58(2), 213-228.
[11] Benner, D. (2003). Kritik und Negativität. Ein Versuch zur Pluralisierung von Kritik in Erziehung, Pädagogik und Erziehungswissenschaft. In D. Benner, M. Borrelli, H. Frieda & C. Winch (Hrsg.), Kritik in der Pädagogik (Zeitschrift für Pädagogik, Beiheft 46). Wenheim: Beltz, S. 96–110. https://doi.org/10.25656/01:3962.
[12] Aus demokratie-, bildungstheoretischer und religionspädagogischer Perspektive hat sich die Erkenntnis herausgeschält, dass Vorbilder immer als ambivalente, kritisch zu diskutierende Figuren didaktisch in den Unterricht eingebettet werden sollten. Das gilt sogar für Nelson Mandela oder Mutter Teresa.
[13] Vgl. Waddington, D. I., Maxwell, B., MacLean, T., McDonough, K., & Tavassoli, N. (2024). How free are classroom teachers? Understanding teacher academic freedom in the United States and Canada. In Teachers and Teaching, 1-22.
[14] Vgl. z. B. Harbecke, H. (2014). Welt der Wunder: Nachdenken über den biblischen Schöpfungsglauben (Jahrgang 5/6). RelliS, 4, 26-31. Cornelsen (2022). Mittendrin – Lernlandschaften Religion: Unterrichtswerk für katholische Religionslehre am Gymnasium/Sekundarstufe I. Ausgabe N, Band 1: 5./6. Schuljahr (Kapitel: Die Welt als Schöpfung sehen, S. 180-195, bes. 182-185). Berlin: Cornelsen. Zentrum für Schulqualität und Lehrerbildung (ZSL) (2021). Evangelische Religionslehre: Handreichung zur Einführung des Bildungsplans im BG. Land Baden-Württemberg (S. 16-19).
[15] Die Schüler:innen adressieren auch die sog. Kanonfrage, insofern sie fordern, dass „Goethe“ durch „Haftbefehl“ ersetzt werden solle. Die damit verbundenen Fragen nach Allgemeinbildung, die bspw. Klafki systematisch adressiert, kann hier nicht ausführlicher aufgegriffen werden.
[16] Aus feministischer Perspektive verweisen gegenwärtige Phänomene wie religiöser Masochismus und normativ fixierte Geschlechterrollen auf regressive Geschlechternormen, die sich auch in der Idealisierung von „weiblicher“ Leidensbereitschaft zeigen.
[17] Für die Komplexität einer Fachdebatte: Vgl. z.B. Gojny, T., Schwarz, S. & Witten, U. (Hrsg.) (2023). Wie kommt der Religionsunterricht zu seinen Inhalten? Erkundungen zwischen Fridays for Future, Abraham und Sühneopfertheologie. Bielefeld: transcript.
[18] Vgl. Herbst, J.‑H. (2023). Is discussing controversial issues in RE a magic bullet to promote social cohesion? Mapping opportunities and challenges based on previous research. Journal of Empirical Theology, 36 (2), 147‑169.
[19] Vgl. Pace, J. L. (2021). Hard questions: Learning to teach controversial issues. Lanham: Rowman & Littlefield.
[20] Hofmann, C. (2020). „Das fand ich wirklich ungerecht!“ Eine empirisch-religionspädagogische Studie zu jugendlichen Ungerechtigkeitserfahrungen im Kontext ethisch-religiöser Bildung. Bad Heilbrunn: Verlag Julius Klinkhardt, 335.

0 Kommentare

Einen Kommentar abschicken

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Auch interessant:

Die Internationale Ordnung im Umbruch und Aufbruch

Viele befürchten angesichts globaler Krisen und weltweit erstarkender Autoritarismen ein Zerbrechen der auf Regeln gegründeten...

Müdigkeit und Ohnmacht als soziale Phänomene: Überlegungen mit Erich Fromm

Erich Fromm stellt den lebendigen Menschen ins Zentrum seines Denkens. Als radikaler Gesellschaftskritiker analysiert er die...

Hypnophobie – ein Impuls

Um den Schlaf ist es seit der europäischen Neuzeit schlecht bestellt – aus ganz verschiedenen Gründen. Das »Wacht endlich auf!«,...

Was bedeutet sozialer Zusammenhalt? Zur Kritik einer neuen Dienstpflicht

Der Essay beleuchtet die Debatte über eine neue Dienstpflicht aus der Perspektive der politischen Philosophie. Ausgehend von der...

Dummheit – Wider die Verkümmerung unseres politischen Empfindungsvermögens

Dummheit resultiert aus der Verkümmerung des politischen Empfindungsvermögens. Gegen die Dummheit braucht es deshalb...

Die Pathologie des Krieges – Lektionen von Thukydides

Ukrainekrieg, Abgründe der Großmachtpolitik, der drohende Konflikt zwischen China und Amerika und die Pathologien des Krieges...