„Wann kehren wir zur Normalität zurück?“, „Wir sind in der neuen[1] Normalität angekommen“, „Die neue Normalität ist digital“. So oder so ähnlich lauteten und lauten in den letzten Monaten Überschriften von Artikeln in ganz unterschiedlichen Medien. Neben Diskussionen über die Vor- und Nachteile des Homeoffice[2][3] gibt es medizinische Einschätzungen darüber, ob wir auch nach Abschluss der Impfkampagne weiterhin in öffentlichen Verkehrsmitteln oder beim Einkaufen einen Mund-Nasen-Schutz tragen sollten.
„Normalität“ ist das Schlagwort der Corona-Pandemie.
Zum scheinbaren Konflikt zwischen Infektionsschutz und Wirtschaftswachstum
Torsten Windels
Abwägungen und Alternativkosten
Die Corona-Krise ist eine schwere Belastungsprobe für alle Menschen und
auch Institutionen. Zur Kontrolle des Infektionsrisikos griff und greift
weltweit ein überwiegend restriktives, staatliches Kontaktreduzierungsprogramm.
Es galt und gilt Gesundheits- und Lebensrisiken zu vermindern. Hierzu wurden
Versammlungs-, Veranstaltungs- und Geschäftsverbote sowie Abstands-, Hygiene-
und Quarantänegebote verhängt.
Recht früh warnten
einige Ökonomen vor hohen volkswirtschaftlichen Kosten durch die staatlichen
Infektionsschutzmaßnahmen. Dabei ging es nicht um die Kosten der Pandemie selbst,
durch Krankheit und Tod sowie deren medizinische Begleitung, sondern um die
entgangenen Einkommen und Gewinne durch die Schutzmaßnahmen. Denn auch diese
beinhalteten erhebliche soziale Risiken (Kurzarbeit, Arbeitslosigkeit,
Existenz- und Zukunftssorgen, …). Problematisch hierbei war, dass die
staatlichen Maßnahmen und nicht die Pandemie als ursächlich für die Rezession
dargestellt wurden. Es entstand der Eindruck eines Gegeneinanders von Infektionsschutz
oder wirtschaftlicher Entwicklung. [1]
Wie bewertet man eigentlich Kulturen? Nietzsche etablierte dafür die Unterscheidung zwischen Leid- und Freudkulturen. Jene haben das primäre Ziel, Leid zu vermindern, diese wollen Freude vergrößern. Jene basieren auf negativen Stimmungen wie Angst, Wut und Kränkung, ihr Grundbedürfnis ist das nach Sicherheit; diese auf positiven Affekten wie Mut, Gelassenheit und Stolz, sie stehen im Zeichen der Freiheit. Jene neigen dazu, sich abzuschotten und imaginäre Kompensationsmechanismen zu entwickeln, die ihre Angehörigen in falscher Sicherheit wiegen. Diese sehen in der Konfrontation mit dem Außen gerade Bedingung ihrer Stärke und Möglichkeit des eigenen Wachstums, Leiderfahrungen werden in ihnen nicht unbedingt vermieden, sondern als notwendige Bedingungen der Freude erkannt. Jene tendieren dazu, mit der Möglichkeit des Leids auch die intensiver Freude aus der Welt zu schaffen. Diese sind jenen vorzuziehen: Es sind Kulturen des Wachstums und der Lebensfülle, Leidkulturen solche der Stagnation und des Niedergangs. Die Dominanz einer Leidkultur ist Symptom tiefliegender Pathologien an der Basis einer Gesellschaft. Weiterlesen →
Die Debatte um die politische Differenz stellt Kontingenz und Konfliktualität als fundamentale Eigenschaften des Politischen heraus. Dies stellt die postfundamentalistische Demokratietheorie, die auf Augenhöhe mit dieser Debatte argumentieren will, vor ein Problem: Durch die Kontingentsetzung aller normativen Begründungen ist zunächst unklar, welche Art von demokratischen Institutionen wie begründet werden kann, und sogar, ob es überhaupt eine von der postfundamentalistischen Sozialontologie ausgehend argumentierende normative Begründung für demokratische Institutionen geben kann. Meine These ist, dass Freiheit, verstanden als kontinuierliche selbstreflexive Kritik, derjenige normative Begriff ist, der sich aus der Sozialontologie von Konflikt und Kontingenz herleiten lässt. Anders gesagt: Freiheit als Kritik ist derjenige Universalismus, der sich aus der Ontologie des Partikularismus ableitet. Freiheit als Kritik kann dabei einerseits das Operieren einiger Institutionen in liberal-pluralistischen Demokratien beschreiben, und andererseits als normativer Kritikbegriff für die Analyse ihrer Dysfunktionalität dienen. Weiterlesen →